Forum A Forum B Forum C
Kongress-Seite
 

Forum B: B wie Biopolitik

oder: Wenn Leben zur Ressource wird

Biopolitik ist ein Sammelbegriff für alle Formen, in denen auf menschliches, tierisches und pflanzliches Leben gesellschaftlich zugegriffen wird – und damit auch eine Überschrift für die immer exzessiver werdende ideologische wie ökonomische An- und Enteignung von Wissen, Ressourcen, Genen, Körpersubstanzen oder Lebensstilen: Die Fülle der biopolitischen Landnahmen ist immens. Das Forum Biopolitik hat aus dieser Fülle zwei Schwerpunkte (s.u.) gewählt, zwischen denen es vielfältige Verbindungen und Überschneidungen gibt und geben soll. Welche Formen von Widerstand wir der umfassenden Produktivmachung von Leben entgegensetzen können und wollen – diese Frage ist die gemeinsame Klammer aller Veranstaltungen im Forum.

Vorbereitungsgruppe Forum Biopolitik

Veranstaltungen im Forum B

Auftakt Forum B
[Freitag, 11:00 - 13:00]
Mit: Uta Wagemann, Ricarda Steinbrecher, Werner Rätz (ila)
Moderation: Erika Feyerabend und Uli Brand

Workshops am Freitag 14:30 - 16:30 und 17:00 - 19:00
Macht Selbstbestimmung gesund? Oder: Was Gesundheit mit Ideologie zu tun hat
Was früher der Gang zur Kirche war, ist heute der ins Fitnesstudio: Gesund sein wollen alle, und die Bereitschaft, dafür Geld und Zeit zu investieren, steigt – zumindest bei denen, die sich’s leisten können. Im Mittelpunkt der allgemeinen vermeintlichen Gesundwerdung steht das selbstbestimmt, präventiv und ökonomisch handelnde Individuum – eine absurde Gestalt, die dennoch an so unterschiedlichen Orten wie Arbeitsplatz oder Sterbebett zur Leit? gur und in Form biomedizinischer „Management“-Programme globalisiert wird. Kurz: Die scheinbar ganz private Angelegenheit Gesundheit ist tatsächlich ein Feld komplexer gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.
Mit Klaus-Peter Görlitzer (Bioskop e.V.), Stefanie Graefe (Redaktion ak/Fantômas), Beate Zimmermann (praktische Ärztin)
Gesundheit als Markt
Das Handlungsfeld von Pharmaunternehmen wird von der europäischen Politik aktiv mit gestaltet, um die europäische Industrie an die Weltspitze zu führen. Gibt es dennoch politische Gestaltungsräume, um die Entwicklung von Medikamenten und Therapien nicht am Profit, sondern an Bedarf und Bedürftigen zu orientieren? In der „Gesundheitsindustrie“ zirkulieren nicht mehr allein Geld, sondern auch Organe und Körpersubstanzen wie bzw. als Kapital. Ist der internationale Organhandel, sind Eizellmärkte und Befruchtungstourismus eine logische oder eine vermeidbare Konsequenz der hiesigen Transplantations- und Fortpflanzungssektoren?
Mit Christian Wagner (BUKO-Pharmakampagne), Erika Feyerabend (BioSkop e.V.), Martina Keller
Gesundheitspolitik als Ausgrenzung
Der Wandel des Gesundheitssystems vollzieht sich in rasender Geschwindigkeit. Eine neue Ethik der Verantwortung gegenüber der Versichertengemeinschaft produziert neue Ausgrenzungslinien. Auch im internationalen Kontext von Gesundheitspolitiken spielen Begriffe wie „Selbstverantwortung“ und „Autonomie“ eine immer zentralere Rolle. Diese Veränderungen wollen wir auch im Hinblick auf die Geschichte sozialer Bewegungen wie z.B. Krüppelbewegung und feministische Bewegungen gegen Bevölkerungspolitiken diskutieren. Wo verlaufen neue Ausgrenzungslinien? Welche Sprengkraft haben – und hatten – Forderung nach „Selbstbestimmung“ im Zusammenhang mit Gesundheitspolitiken?
Mit Swantje Köbsell (selbstbestimmt Leben Bremen e.V.), Gerlef Gleiss (autonom leben e.V.), Christian Judith (autonom leben e.V.), Susanne Schulz
Gene, Geld und Essen – Kolonialisierung der Welternährung
Gentechnologie ist Herrschaftstechnologie. Durch die Agro-Gentechnik wird kleinbäuerliche Landwirtschaft kostenintensiv, kontrollierbar und abhängig gemacht. Regierungen, transnationale Konzerne und internationale Institutionen sind dabei, die weltweiteNahrungsmittelproduktion zu monopolisieren. Im Süden gibt es Proteste gegen diese Dominanz von Politik und Konzernen und Kämpfe um „Ernährungssouveränität“. Der Workshop soll die Herrschafts- und Machtaspekte der Agro-Gentechnik beleuchten und diskutieren, inwiefern Ernährungssouveränität ein emanzipatorischer, widerständiger Begriff sein kann.
Mit Ricarda Steinbrecher (EcoNexus), Emmanuel Yap (Ex-Koordinator von MASIPAG)
Moderation: Uli Eder & Jutta Sundermann
Technisierte Menschen – Nano to Bio oder Bio to Nano
Die Nanotechnologie wird zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts gezählt. Es ist davon auszugehen, dass sie viele Produktionsbereiche und -verfahren revolutionieren und die Trennung von belebter und unbelebter Materie überwinden wird. Es scheint, als wäre diese Technologie notwendig für gesellschaftlichen Fortschritt und zur Lösung globaler Probleme wie Armut, Lebensmittel- und pharmazeutische Versorgung etc. Doch worum handelt es sich? Welche Debatten werden geführt, welche Akteure sind aktiv? Und wie sieht es aus mit Macht und Herrschaft, Kontrolle und Gefahren? Innere Landnahme auf molekularer Ebene? Zeit für die Linke, sich mit diesem Thema zu befassen.
Mit Jim Thomas (ETC-Group, Mexico), Niels Boeing (Wissenschaftsjournalist, km21.org)
Moderation: Andreas Riekeberg, Gregor Kaiser
Hintergrundtexte: "Green Goo: Nanobiotechnology Comes Alive!" (pdf-Datei), "From Genomes to Atoms - The Bit Down" (pdf-Datei), "Schöne neue Nanowelt" (taz-Artikel)
"Das Leben" lebt nicht.
Von der Kritik der Biopolitik bei Foucault und ihrer Affirmation in 'Empire'
Vieles in der Rede über "Biopolitik" hat sich geändert, seit Antonio Negri und Michael Hardt ihn in Empire einmal durch die geschichtsphilosophische Mangel gedreht haben. Was von Foucault einmal zur strategischen Analyse nicht zuletzt der Rassenbiologie formuliert wurde, wurde zu einer Voraussetzung des Kommunismus. Ausgehend von Foucaults zentralen Begriffen, die und wor allem deren Funktion noch einmal kurz ins Gedächtnis gerufen werden sollen, soll in diesem Arbeitskreis die Tendenz kritisiert werden, den Begriff Biopolitik" positiv umzudeuten. Daraus ergeben sich einige weiterführende Fragen über Foucault hinaus: Was sollte er einmal bedeuten und welche methodischen Implikationen besitzt er? Hat er heute überhaupt noch einen Gegenstand oder gehört er einer vergangenen Epoche an? Welches Verständnis von Geschichte drückt sich in ihm aus? Ist mit dieser Entwicklung die Foucaultsche Theorie gescheitert oder sollte versucht werden, sie gegen ihre heutigen LiebhaberInnen zu retten?
Mit: die röteln
Konflikte um geistige Eigentumsrechte im globalen Kapitalismus
Die Frage der geistigen Eigentumsrechte (engl. IPR) wird zu einem Grundpfeiler im aktuellen Kapitalismus, für den Wissen und dessen ökonomischeVerwertung zentral sind. Die aktuelle Kriminalisierung von „Raubkopierern“ zeigt die Brisanz des Themas. In diesem Workshop geht es im 1. Teil um IPR an natürlichen Ressourcen, insbesondere an genetischen Ressourcen, d.h. den vererbbaren Eigenschaften von Natur. Im 2. Teil soll der Blick über das Thema Biopolitik hinaus in andere Bereiche geöffnet werden.
Mit Christiane Gerstetter (BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie), Christine v. Weizsäcker, Oliver Moldenhauer (Initiative Filesharing), Frieder Hirsch

Workshops am Freitag von 14:30 bis 16:30
Kontraste im Sueden
Gesundheitsversorgung in Malawi und im autonomen zapatistischen Gebiet in Chiapas, Mexiko

Ein wichtiger Bestandteil des Aufbaus indigener Autonomie in Chiapas ist die Etablierung einer eigenen Gesundheitsversorgung. Probleme und Erfolge bei diesen Bestrebungen sowie Erfahrungen mit dem Solidaritätsprojekt "Salud para tod@s" werden verglichen mit den 2004 gesammelten Eindrücken in Malawi, einem kleinen, im Herzen Afrikas gelegenen Land mit ähnlich prekärer Gesundheitsversorgung, in dem es keine nennenswerte soziale Bewegung, ein hohes Maß an Korruption und eine fette Unterstützung durch die GTZ gibt. Im Workshop geht es um die Betrachtung zweier unterschiedlicher Situationen, um den Unterschied zwischen humanitärer Hilfe und Solidarität und darum, wie praktische Solidarität aussehen kann oder sollte.
Mit: PCL (Chiapas98, Salud para tod@s).

Workshops am Samstag von 10:00 bis 12:30
„Rote“ und „grüne“ Gentechnik – gemeinsame Wurzeln und Ziele
Ist Gentechnik in der Medizin „gut“ und in der Landwirtschaft „schlecht“? Oder steht hinter beiden (neben den Pro? tmöglichkeiten) ein gemeinsames hegemoniales Ziel? Machterhalt durch Biopolitik ist subtil und nicht einfach zu durchschauen. Was in den Metropolen mit Hilfe von „Reprogenetics“ über den gesellschaftlichen Konsens im Namen von vermeintlicher Selbstbestimmung und suggerierter Entscheidungsfreiheit erreicht wird, funktioniert in den Ländern des Südens über die Instrumentalisierung von Hunger und die Kontrolle der Ernährungssicherheit mittels „grüner“ Gentechnik. Eine Einladung zur Hinterfragung der eigenen Position und zu einem Streifzug in Geschichte, machtpolitische Realitäten und Phantasien der Eliten.
Mit Fritz Storim (MAUS e.V.), Klaus Pedersen (BUKO Kampagne gegen Biopiraterie)
!!! Achtung dieser Workshop wird am Samstagnachmittag 13:30 - 16:00 Uhr weitergeführt !!!
Gesundheit als Recht oder als Norm?
Für ein „Recht auf Gesundheit“ streitet das internationale Peoples Health Movement (PHM). Auf Grund eines umfassenden Gesundheitsbegriffes ist der Bewegung dabei der Kampf um bessere ökonomische und soziale Lebensbedingungen für alle zentral. Doch aus dem „Recht auf Gesundheit“ kann eine „Pflicht zur Gesundheit“ werden. Gesundheit kann als höchste Norm angesehen werden und sozialdisziplinierend wirken. Wie und warum unterscheiden sich die Gesundheitsbewegungen des Südens in ihrer Praxis und ihren Forderungen von den Aktivitäten hierzulande? Kann es eine globale Bewegung mit einheitlichen Konzeptionen geben?
Mit Thomas Seibert (medico international); David Sanders (Peoples Health Movement Südafrika); NN. (European Network for the Right to Health),NN (autonom leben e.V.); Swantje Köbsell (angefragt); Tobias Michel (ver.di/attac)
Querschnitts AG "Ressourcenpolitik"
Patente und „legitimierte“ Raubzüge um „Gene“ und biologische Substanzen jedweder Herkunft sind umstritten. Die Kritiken sind weit gefächert. Regierungen antworten mit Lizenzbehörden, um den „nationalen“ Reichtum zu sichern. Kampagnen wie „Kein Patent auf Leben“ setzen auf juristische Einsprüche, verwerfen Eigentumsrechte an „Natur“ - und popularisieren u.U. dabei das „Gen-Konzept“. Indigene Bevölkerungsgruppen fordern ihre Mitentscheidung ein und widersprechen den Politiken der Regierungen. In internationalen Verträgen wie zum Beispiel der Konvention über Biologische Vielfalt wird das „access and benefit sharing“ verankert: Firmen, die von Patenten profitieren, sollen Geld für Aufklärung und Gemeinwohl spenden. Um die Verwertung von Zellen und Körpersubstanzen einzuschränken, wurde bisher der „informed consent“ favorisiert, die Legitimierung einzelner Forschungen an Körpermaterial über schriftliche Einwilligungspapiere der/des Einzelnen. Mittlerweile wird über einen „blanked consent“ verhandelt, der Zugriffe generell ermöglicht, und es werden Ausnahmen definiert, die keine Zustimmung erfordern sollen. Kann das Beharren auf dem „informed consent“ diesen Zugriffsstrategien etwas entgegensetzen? Behindert individualisierte Zustimmung Zugriffe und kann sie global gelten? Weniger grundsätzliche Kritiken gelten oft als aussichtsreich – aber sind sie es wirklich?. Wie wäre es, politische Sprech- und Handlungsweisen zu (er)finden, die gesellschafts- und wissenschaftskritische Analysen nicht aufgeben und dennoch konkrete Interventionen ermöglichen?
Mit: Uta Wagenmann (Gen-ethisches Netzwerk e.V.) Erika Feyerabend (BioSkop e.V.) Gregor Kaiser (BUKO Kampagne gegen Biopiraterie)
Workshops am Samstagnachmittag
„Rote“ und „grüne“ Gentechnik – gemeinsame Wurzeln und Ziele
[13:30 - 16:00]
Dieser Workshop ist eine Fortführung vom Samstagvormittag
Koordinierungs-/Vernetzungstreffen Biopolitik
[13:30 - 16:00]
Viele interessante Workshops haben stattgefunden. Viel Neues gehört. Viele interessante Diskussionen geführt. Lust bekommen weiter zu machen? Bei dem Treffen soll es darum gehen, wie eine weitere Beschäftigung und Koordination von Aktivitäten zu dem Thema aussehen kann.