Transformationen: Bridges over troubled water
"Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muss man die Umstände menschlich bilden", schreiben Marx und Engels und verweisen damit auf ein grundlegendes Dilemma: Muss sich erst der Mensch oder die Umstände ändern und - da das eine vom anderen abhängt - wo setzt gesellschaftliche Veränderung an?
Es ist an der Zeit, die Umstände radikal in Frage zu stellen und neu zu bilden. Schließlich geht es darum, die Welt zu verändern und zu einem Ort zu machen, der allen Menschen ein gutes Leben ermöglicht: Teilhabe statt Ausschluss, Umverteilung statt Wohlstandskluft und Spardiktat, Gemeinwohl statt Profitinteressen. Ist das hoffnungslos utopisch oder besteht die konkrete Hoffnung, dass (noch) mehr Menschen als bisher dem Status Quo mit allerlei Formen des Nein-Sagens entgegentreten und neue Formen des Zusammenlebens und Alternativen zum Kapitalismus entwickeln? Kurz: Ist eine radikale Transformation der Gesellschaft möglich? Diese Frage beschäftigt uns in dem dritten Themenfeld des Kongresses.
Wir definieren Transformation als etwas, das das Bestehende überschreitet und über das Herrschende hinaus weist. Emanzipative Veränderung in diesem Sinne bedeutet, ganz allgemein formuliert, die Ausbeutung von Mensch und Natur zum Zwecke der Gewinnmaximierung zu überwinden. Das Konzept der Transformation unterscheidet sich damit grundlegend von Konzepten der Transition, die z.B. den Kapitalismus lediglich ein bisschen ökologisch verträglicher machen wollen, wie der so genannte "Green New Deal". In der aktuellen Debatte aber erscheint ein grüner Kapitalismus, welcher die Kritik am auf fossile Brennstoffe beruhenden Kapitalismus integriert, als eines der denkbarsten, weil hegemoniefähigsten Modelle. Diese und ähnliche Konzepte beziehen sich allein auf die politische Steuerung einzelner Krisensymptome. Sie führen die fatale Wachstumslogik des Systems fort. Eine radikal globale Transformation hingegen bricht grundlegend mit den imperialen und patriarchalen Produktions- und Lebensweisen.
Unlearning capitalism
Die gute Nachricht vorweg: Jede und jeder kann den Kapitalismus verlernen. Immer mehr Menschen glauben, dass eine andere, weniger zerstörerische Art gesellschaftlichen Zusammenlebens denkbar, notwendig und sogar attraktiver als die Bestehende ist. Es gibt nicht das einzig richtige Transformationskonzept und keinen alleinigen Akteur bzw. Akteurin - und das ist gut so. Schließlich liegt die Stärke in der Vielfältigkeit der unterschiedlichen Suchbewegungen auf dem Weg in eine nicht-kapitalistische Welt. Konkrete Ansatzpunkte für emanzipative Kämpfe um gesellschaftliche Transformation liegen vor allem im Bildungsbereich. So haben die viele Monate andauernden Bildungsproteste in Chile der Welt gezeigt, dass das System von Privatisierung, Gewinnorientierung und sozialem Ausschluss radikal infrage gestellt und die Forderung radikaler Transformation sogar mehrheitsfähig werden kann. In Brasilien, wo noch immer ein großer Teil der Bevölkerung von Bildung ausgeschlossen ist, eröffnet die Landlosenbewegung emanzipatorische Bildungsräume in kollektiv organisierten Schulen und Universitäten.
Auf dem BUKO-Kongress laden wir dazu ein, Erfahrungen verschiedener Bewegungen und Ansätze weltweit für "ein gutes Leben für alle" zu teilen, sowie die eigenen Kämpfe und Utopien mit anderen zu reflektieren und zu erweitern. Wie können emanzipatorische Formen des Arbeitens, der Geschlechterverhältnisse, des kulturellen Austausches & des Lebens aussehen?