zuletzt aktualisiert am 03.04.2012
 

Wessen Krise? Welche Kämpfe?

Die Krise kommt an. Die Auswirkungen der Finanzkrise und des Wirtschaftsabschwungs haben bereits eine Vielzahl von Menschen erreicht ? weltweit. Und diese sind keineswegs "Not leidende Banker". WanderarbeiterInnen in den chinesischen Industriezentren werden gefeuert, Betriebe geschlossen, ohne Zahlung des ausstehenden Lohns. Sollen sie doch sehen, wie sie aus- und zunächst einmal nach Hause kommen, zur Familie, die auf die regelmäßigen Überweisungen angewiesen ist. Die großen US-amerikanischen Automobilkonzerne betreiben staatlich subventionierte massive Entlassungen der traditionell gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnenschaft, ?notwendige Rationalisierung? genannt. Gleichzeitig jubeln in Herzogenaurach Tausende Beschäftigte des maroden Familienkonzerns Schaeffler ?ihrer Chefin? zu und fordern Staatshilfen für das durch den Schaeffler-Clan an den Rand des Konkurses gebrachte Unternehmen.

Diese Beispiele beschreiben nur einige der Auswirkungen der Krise auf viele Millionen Menschen in allen fünf Erdteilen, und dies über Jahre hinweg. Sie illustrieren zudem, dass die Transformationen von Lebensbedingungen nicht notwendigerweise zu einer Kritik an sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen und einer radikalen Infragestellung der kapitalistischen Wirtschaftsweise führen. Auch wenn die Krise weltumfassend ist und jeden Lebensbereich betrifft, sind diejenigen am stärksten betroffen, die bereits jetzt nur über das Überlebensnotwendigste verfügen ? und oftmals nicht einmal darüber. Zu den ersten, die aus Lohnarbeitsverhältnissen entlassen wurden und werden, zählen diejenigen mit prekären Arbeits- und Einkommensverhältnissen: Leih- und ZeitarbeiterInnen in den Fabriken der Metropolen, migrantische ArbeiterInnen weltweit. In der Landwirtschaft Arbeitende kämpfen aufgrund der zunächst stark schwankenden, nun gesunkenen  Produktpreise zunehmend ums Überleben. Hinzu kommen die klimatischen Veränderungen aufgrund der menschengemachten Umweltkrise. Für Kapital und Regierungen gilt es hingegen, Rohstoffquellen und Absatzmärkte militärisch und kriegerisch zu sichern. Und selbsternannte Börsenexperten empfehlen in Krisenzeiten die Anlage in Staatsschuldtiteln und Aktien der Rüstungskonzerne.

Während einige in dieser Situation auch Chancen für die radikale Linke sehen, ein Zunehmen kapitalismuskritischer Positionen diagnostizieren und sich auf zukünftige Rebellionen im Angesicht der Krise vorbereiten, sehen andere die radikale Linke im "business as usual" verfangen. Beide Krisenerscheinungen, die weltumspannende Transformation der sozialen und ökonomischen Lebensverhältnisse und die theoretische und praktische Suche nach Auswegen aus dem Elend warenförmiger Lebensverhältnisse, werden Gegenstand der Diskussionen auf dem BUKO32 sein.

Im Zentrum unserer Analysen stehen denkende und handelnde, fühlende und kämpfende Menschen - dies bei Beachtung der gesellschaftlichen Bedingungen ihres Handelns. Eine solche Perspektive einzunehmen bedeutet allerdings nicht, das Trennende und das Gemeinsame in der Krise zuzukleistern, sondern eine Haltung zu entwickeln, die sich weigert, Vorschläge zur Regelung krisenhafter Verhältnisse aus einer Herrschaftsperspektive anzunehmen oder zu unterbreiten. Eine radikale Analyse und Kritik des herrschenden Krisenmanagements und seiner globalen politischen Auswirkungen sind aus unserer Perspektive notwendige Bestandteile linker, neue Räume eröffnender Diskussionen und Praxen. Diese Kritik muss auf die Delegitimierung und Aufhebung der bestehenden Verhältnisse zielen.

Beim Schwerpunkt Weltwirtschaftskrise wird es darum gehen, Stimmen und Perspektiven vernehmbar zu machen, die selten und noch viel zu leise hörbar sind: diejenigen entlassener WanderarbeiterInnen in China, von AktivistInnen aus osteuropäischen Ländern, von rebellischen GenossInnen aus Griechenland oder radikalen Linken aus den USA, die von Kämpfen inmitten einer tiefen Rezession berichten. Wichtig ist uns ein genauer Blick ? wir wollen verstehen, was an anderen Orten passiert: Welche Auswirkungen hat die Krise auf das Leben von Menschen anderswo, welche Kämpfe führen sie, wie vernetzen sie sich und wie können diese Kämpfe mit den unsrigen verbunden werden?

Wir meinen, dass wir gerade in krisenhaften Zeiten voneinander lernen können und müssen; deswegen wollen und müssen wir uns damit auseinandersetzen, was das Gemeinsame in unserem Protest und Widerstand ist, aber auch damit, was uns trennt und welche Unterschiede es in den Lebenssituationen gibt. Vernetzung und Organisation einer solidarisch geführten Diskussion mit den AktivistInnen aus verschiedenen Ländern, die wir zum Kongress einladen werden, sind daher zentrale Bestandteile des thematischen Strangs zur Weltwirtschaftskrise. Nicht zuletzt geht es darum, Perspektiven zu entwickeln, wie eine Vergesellschaftung funktionieren kann, die nicht über Markt und Tausch, sondern solidarisch vermittelt ist und die Überlebensgrundlagen nicht zerstört.

 

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