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Energie:
Wir müssen reden!

2004 hieß ein Titel der Scientific Revue „Atomkraft, ja bitte!“. Es folgten Berichte zu neuen Kraftwerken etc. Einer ersten Irritation folgte unser Versuch, die Entwicklung einzuschätzen. Klar wurde: Das Gerede von der „Renaissance der Atomkraft“ ist ein internationales Phänomen. Und: Wir müssen reden, mit Menschen, die die Lage anderswo beurteilen können. Welche energiepolitischen AkteurInnen gibt es? Wie wird auf Ressourcen zugegriffen? Mit welchen sozialen Folgen? Gibt es Widerstand? Können wir daraus lernen? Diese Fragen wollen wir auf dem Buko29 stellen. Wir waren unsicher, ob andere ihnen eine ähnliche Relevanz beimessen.

Aber mit dem Konflikt über Gasimporte, durch die Bilder aus New Orleans und dem drohenden Krieg im Iran rückt der Energiesektor wieder ins Blickfeld der Linken. Und er ist höchst dynamisch. Verhältnisse sind in Bewegung geraten. In Nigeria: DIe Zentralregierung verliert zunehmend die Kontrolle über die Ölförderung an lokale Warlords. In Lateinamerika: Während sich in Mittelamerika westliche Konzerne der Netze und Kraftwerke bemächtigen, entwickelt sich in Teilen Südamerikas eine Energiepolitik, die in Konkurrenz zum Zugriff der USA steht.

Diesen Beispielen, die in den Metropolen für Hektik sorgen, widmen wir uns zu Beginn. Länderberichte beleuchten die Energiesituation in Lateinamerika, den imperialen Zugriff auf Ressourcen und den Widerstand dagegen. Wir untersuchen die Ölausbeutung in Nigeria. Dazu kommen Workshops zur Energiepolitik Chinas, dessen „Energiehunger“ immer wieder als Begründung für gestiegene Energiekosten herhalten muss. Weiteres Thema ist die Wasserkraft, die es im Trikont im Hinblick auf ihre unrühmlichen Folgen mit Atomanlagen aufnehmen kann. Dabei spielen kolonial angelegte Herrschaftsverhältnisse eine wesentliche Rolle.

Am Freitagabend wollen wir mit allen ReferentInnen des Panels die Diskussionsstränge zusammenführen, um Debatten zu fördern. Am Samstag ist Zeit für theoretische Hebel. Wir vergleichen die Energiesysteme der „Triade“ USA-Japan-Europa, deren Ähnlichkeiten stärker sind, als es manch europäischer Öko-Zeigefinger gern hätte. Dann ein kurzer Abstecher in den linksradikalen Schrebergarten: Können emanzipative Utopien für die Zukunft der Energieversorgung in der BRD entwickelt werden?

Ein Themenstrang ist dem ökologisch erweiterten Marxismus gewidmet, der das globale Energiesystem als atomar-fossil beschreibt. Das Energiesystem wird durch die kapitalistische Akkumulation an seine Grenzen getrieben. Krisensymptome sind u.a. der dauerhafte Ausschluss von einem Drittel der Menschheit vom Zugang zu modernen Energieformen, die Endlichkeit der Brennstoffe, der Klimawandel und die stete Gefahr einer massiven Freisetzung radioaktiver Stoffe. Ihr seht, der Klärungsbedarf in diesem Panel ist groß.

Wir hoffen, dass sich die Vorbereitung nicht nur in der Zahl der Themenfelder niederschlägt, sondern auch in Erkenntnisgewinn.

Vorbereitungsgruppe Forum Energie
Programm zum Schwerpunkt Energie
Donnerstag, 25.05.06, 15 bis 18 Uhr

Crashkurs: Energiesysteme
Jörn (AntiAtomForumBerlin)
Möglichkeiten der Untersuchung von Gesellschaften aus energetischer Perspektive. Eine einführende Diskussion des Energiesystembegriffs als Basis sowohl einer historisch-materialistischen Analyse als auch einer Kritik von Gesellschaften und deren Verhältnis zur Natur. Perspektivwechsel - praxisorientiert!
Schnupperklettern für AktivistInnen
Menschen aus der Bewegung Auf Bäume rauf, von Bäumen runter – es kann nicht schaden, auch so etwas zu können, oder?
Freitag, 26.05.06, 10 bis 10:30 Uhr

Einführung [10:00 - 10:30 h]
Freitag, 26.05.06, 10:30 bis 11:45 Uhr

Marxismus und Energie
Anton Schweiger
Bei diesem Workshop geht es zum einen darum, den (ökologisch erweiterten) Marxismus nutzbar zu machen als Instrument und Methode zur Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse, konkret der industrie-kapitalistischen (Welt-) Energiesysteme und der aus ihnen resultierenden gesellschaftlichen Entwicklungskrisen (konkret der Grenzen der neoliberalen Globalisierung). Zum anderen geht es darum, den Marxismus nutzbar zu machen als praktische Handlungsanleitung zur Gestaltung künftiger gesellschaftlicher Entwicklungen, konkret geht es dabei darum, was eine solare Revolution sein könnte und wie der Einstieg in sie aussehen könnte.
When the Talking Stops: Erdölförderung, Rentenökonomien und die Grenzen emanzipatorischen Widerstandes. Zur Transformation sozialer Bewegungen in Warlord-Milizen im Nigerdelta (Nigeria)
Ruben Eberlein
Gezielte Morde, Anschläge mittels Autobomben und Angriffe schwer bewaffneter Gruppen auf lokale und internationale Unternehmen sowie zentralstaatliche Institutionen prägen heute im Nigerdelta den Alltag. Ein erheblicher Teil der sozialen Bewegungen der 1990-er Jahre, die erfolgreich gegen politische und soziale Marginalisierung sowie den ökologischen Raubbau aufbegehrten, hat sich heute einem separatistischen Projekt verschrieben, das beabsichtigt, den nigerianischen Staat zu zerschlagen. Politische Unternehmer aus der Region benutzen die Separatisten, um ihre Position zu stärken. Opposition gegen ihre eigene räuberische Herrschaft verfolgen sie rücksichtslos.
Im Workshop soll Michael Watts' Arbeit zum 'Oil Complex' vorgestellt werden. Außerdem diskutieren wir die Grenzen des emanzipatorischen Widerstandes und die gesellschaftliche Fragmentierung in bewaffnete Banden am Beispiel des Nigerdeltas.
Die Energiepolitik Chinas
Maximillian Mayer
Was heißt hier eigentlich „Energiehunger“? Wie verändert sich Energieversorgung in China? Was unterscheidet das internationale Auftreten Chinas von dem westlicher Industriestaaten? Und wie sieht es im Land aus: Welche Bedeutung haben die wiederholt auftretenden lokalen Proteste/Widerstände? Der Workshop befasst sich zunächst mit Chinas Aktivitäten auf den internationalen Energie“märkten“. Im zweiten Abschnitt sollen die Veränderung in China selbst im Vordergrund stehen.
Freitag, 26.05.06, 11:45 bis 13:30 Uhr

Kriminelle Energie- Die Transformation des Energiesystems in Mittelamerika
Ulf Baumgärtner
Wir wollen Mittelamerika unter die Lupe nehmen, um zu erfassen welche Transformationen es aktuell im Energiesektor der Peripherie gibt. Mit Impulsreferaten über den Stand der Privatisierung des Energiesektors in Nicaragua und der Energiewirtschaft in El Salvador starten wir die Bestandsaufnahme. Uns interessiert dabei vor allem welche Akteure sich Zugriff auf welche Ressourcen verschaffen und wie der Widerstand dagegen aussieht. Mit dem Film “Land unter Strom” von Dorit Siemers und Heiko Thiele, die gerade von einer fünfmonatigen Recherche aus Mittelamerika zurückehrten, erweitern wir den Blick auf Honduras, Guatemala und Mexiko.
Freitag, 26.05.06, 14:30 bis 15:00 Uhr

Führung durch die Ausstellung "Atommuell-Endlager Morsleben"
Falk Beyer
In Morsleben(Sachsen-Anhalt) befindet sich das ehemalige Endlager fuer Atommuell der DDR. Nach der Vereinigung hat die Bundesregierung noch einmal soviel (bzw. viel mehr) Atommuell eingelagert - trotz bekannter Probleme wie Wasserzufluessen und Einsturtzgefahr. Jetzt soll das Endlager stillgelegt werden - der schon eingelagerte Muell laeuft dann Gefahr, unter den weiterhin bestehenden Sicherheitsgefahren in der "Tropfsteinhoehle" zu verbleiben...
Freitag, 26.05.06, 15 bis 16:45 Uhr

Energiegroßprojekte am Beispiel Brasilien
Tina Kleiber (Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V.), Regine Richter (Urgewald e.V.)
Dem Unsinn und der negativen Auswirkungen von Wasser- und Atomkraftwerken in Brasilien, werden die Potentiale für Erneuerbare Energien gegenüber gestellt. Darüber hinaus werden Bemühungen einer von Desertifikation bedrohten Region aufgezeigt, sich von Auswirkungen von Großprojekten wieder zu erholen.
When the Talking Stops: Erdölförderung, Rentenökonomien und die Grenzen emanzipatorischen Widerstandes
Ruben Eberlein (angefragt)
Zur Transformation sozialer Bewegungen in Warlord-Milizen im Nigerdelta (Nigeria).
Neuer Spiel Raum Südamerika - Wieviel Unabhängigkeit steckt im Öl Südamerikas?
Raul Zelik
Wie viel Unabhängigkeit steckt im Öl Südamerikas? Aktuelle Entwicklungen in Venezuela, Kolumbien und Brasilien wollen wir untersuchen Wie sehr es dabei auch um eine Neubestimmung der Position zum Westen geht bewies die Regierung Chaves mit ihrem Angebot, sozial benachteiligte Familien in den USA mit billigem Öl zu beliefern. Doch wie ist die neue Selbstbestimmtheit Venezuelas einzuschätzen? Wie ist die Rolle des Staates einzuschätzen? Welche Spielräume haben “linke” Regierungen, und vor allem: welche Spielräume haben emanzipatorische soziale Bewegungen im Angesicht der Öl- und Großtechnologieabhängigkeit?
Freitag, 26.05.06, 17:15 bis 19 Uhr

Synopse des Energieforums (Plenum)
Samstag, 27.05.06

Kollektivierung der Energieversorgung während der spanischen Revolution 1936 [10:00 - 11:30 h]
Die spanische Revolution hat vielfältige Beispiele dafür hinterlassen, dass Markt und Staat durch den Aufbau von Selbstverwaltungsstrukturen ersetzt werden können. Der Workshop betrachtet Kollektivierungsprozesse, Selbstverwaltungsstrukturen und Produktion nicht nur im Energiebereich.
Energiesysteme: Energiepolitik der Triade - das neoliberale Energiesystem in der Praxis [10:00 - 12:30 h]
Anton Schweiger
Aufbauend auf die theoretische Fundierung durch den Workshop Marxismus & Energie werden die Energiepolitiken bzw. die Energiesysteme der Triademächte USA, EU und Japan bezüglich ihrer Funktionsweise und ihrer Interessenskongruenzen und Interessenskonflikte untersucht. Es wird bezogen auf die globale Energienutzung und Klimapolitik der Frage nachgegangen, ob, und wenn ja, welchen Beitrag die EU für eine multilaterale Weltordnung und neue weltpolitische Allianzen im Sinne eines Einstiegs in eine solare Revolution leisten könnte.
Geschichte der Anti-AKW Bewegung in Deutschland [10:00 - 12:30 h]
Menschen aus der Bewegung
Sitzblockaden, Wasserwerfer, Barrikaden, Petitionen, Campkultur, Parteiengründung, Militanz, Heimatschutz und Anarchie – alles dabei in der vermeintlichen Ein-Punkt-Bewegung mit langer Geschichte.
Atomkraft: alles im Griff?
Xanthe Hall (Abrüstungsreferentin beim IPPNW) [10:00 - 12:30 h]
Safeguard control und IAEO-Kontroll-Regime: Ohne diese zwei Begriffe lässt sich die Diskussion um den Iran nicht verstehen. Was kontrolliert die IAEO, und wer kontrolliert die IAEO?