Kongress buko25
Tatort Globalisierung
Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

Frankfurt/ Main 09. - 12. Mai 2002

 
  

 

Vor dem offenen Krieg in Chiapas?

Aufstandsbekaempfung jetzt ökologisch - im Interesse der Multinationalen

 

Zugespitzt wie seit Jahren nicht mehr zeigt sich die Situation in den Aufstandsgebieten in Chiapas. Vor Allem die angekündigte Räumung von 49 Gemeinden in der Selva Lacandona macht einen erneuten Ausbruch des offenen Krieges wahrscheinlicher denn je. Von dieser Räumung wären über 1500 indigene Familien betroffen, der größte Teil von ihnen ist in der Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN und dem autonomen Landkreis "Ricardo Flores Magon" organisiert.
Insbesondere die mexikanische Bundesregierung hat ihren Willen bekraeftigt, die Gemeinden in diesem Gebiet "umzusiedeln". Seit Jahren ist diese Region mit über 50 Militärstützpunkten und mehr als 30.000 Soldaten hochgradig militarisiert. Im Dezember letzten Jahres meldeten Sprecher des Landkreises eine erneute Zunahme von Einschüchterungen und Bedrohungen von Seiten des Militaers. Im März 2002 wurden zusätzlich mehrere tausend Mitglieder verschiedener Polizeitruppen sowie Fallschirmjäger in die Region verlegt. Im April stand ihr Einsatz unmittelbar bevor, wurde jedoch in letzter Minute aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten verschoben. Ein neuer Zeitpunkt ist nicht bekannt, die Vorbereitungen scheinen allerdings abgeschlossen zu sein, so daß die Invasion jederzeit stattfinden kann.

Umweltschutz, wirtschaftliche Erschließung oder Aufstandsbekämpfung?
In der offiziellen Darstellung dient die geplante Vertreibung dem Schutz des Regenwaldes. Tatsächlich sind seit 1978 dort mehrere große Gebiete zu Schutzzonen erklärt worden, unter anderem dem "Biosphärenreservat Montes Azules". Die Ausrufung dieser Schutzzonen erfolgte allerdings über die Köpfe der dort lebenden Indigenas hinweg. Eine Ausnahme bildete nur eine kleine Gruppe von Indigenas, denen per Präsidialdekret eine Fläche von über 600.000 Hektar zugesprochen wurde, unter gleichzeitiger Unterzeichnung eines Vertrags über den lukrativen Abbau von Tropenholz durch die Familie des Präsidenten von Mexiko. Heute dient diese Gruppe, die sich seitdem "Lacandonen" nennt, als "Vorzeige-Indianer" der Regierung, um die Vertreibung der Tzeltales, Tzoziles, Choles und Tojolabales zu rechtfertigen.

Die geplante Invasion ist ein Schritt zur Durchsetzung des Plan Puebla-Panama (PPP), eines gewaltigen strategischen und ökonomischen Programms in Zentralamerika, unter Federführung der Weltbank und ausgerichtet an den wirtschaftlichen und militärischen Interessen der USA. Es sieht nicht weniger vor, als die komplette Umstrukturierung der Region von Mexiko bis Panama, ein Plan der in vielen der betroffenen Regionen bereits auf heftigen Widerspruch der Bevölkerung stößt. Die Zapatistas als Guerilla und Basisorganisation mit etwa 300.000 Organisierten sind dabei eines der zur Zeit größten Hindernisse für die Planer aus dem Norden. Gleichzeitig sind sie es auch, deren Lebensweise und Kultur als Indigenas und Kleinbauern unweigerlich ausgelöscht würden, wenn dieses Programm umgesetzt wird.

In den zapatistischen Einflußgebieten im östlichen Chiapas sieht der PPP unter Anderem vor, Erdöl und Mineralien für die Mikroelektronik auszubeuten, 32 Staudämme zur Gewinnung von Energie und Trinkwasser zu errichten, die Landwirtschaft auf Exportprodukte (insbesondere Rindfleisch) umzustellen sowie massiv den Bau von Straßen und Maquiladoras voranzutreiben. Die Schutzzonen um Montes Azules sollen der Bioprospektion, d.h. der Patentierung und Ausbeutung der genetischen Vielfalt im Regenwald sowie der Entwicklung des Öko-Tourismus dienen.

Die Lobbyorganisation, die die Vertreibungen in der Selva Lacandona maßgeblich vorantreibt ist "Conservati-on International". Diese Gruppe gibt sich als Umweltschutz-NGO aus, ein Blick auf ihre Sponsorenliste zeigt aber deutlich, daß es hier um mehr geht, als darum, ein Stück Regenwald zu erhalten. Hier versammeln sich unter aderem die Gentech-Gruppe Pulsar (einer der größten Multis Mexikos, mit Beteiligungen von Nestlé und Monsanto), Mc Donalds, die Walt Disney Corp., der Autobauer Ford, der Erdöl- und Energiekonzern Exxon, und der Mikroelektronik-Gigant Intel, letzterer mit einer Beteiligung von über 150 Mio. Dollar. In diesem Kreis fehlt eigentlich nur die Coca Cola Company, die zur Zeit schwer daran arbeitet, die Wasservorräte Chiapas' unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Zugleich zeigt sich, daß die Strategie der Regierung, die zapatistische Bewegung kleinzureden und zu ignorieren, durchaus einige Erfolge zeigt. Ehemals verbündete Organisationen haben sich durch die Politik von Zuckerbrot und Peitsche von den Zapatistas entfernt und internationale Gruppierungen wenden ihre Aufmerksamkeit anderen Regionen zu.
So liegt es nahe, dass sich die Zapatistas, nach über acht Jahren des einseitigen Waffenstillstands, erneut gezwungen sehen können, zu den Waffen zu greifen, um ihre fundamentalen Rechte zu verteidigen. Sollte es dazu kommen, wäre dies ein herber Rückschlag für ihre Politik, in der sie immer die Worte den Waffen vorgezogen haben. Angesichts der militärischen Übermacht der mexikanischen Armee würde dies ein gewaltiges Blutvergießen unter den indigenen Gemeinden bedeuten.

Die rebellischen Gemeinden betonen, daß sie im Widerstand bleiben, und daß sie die Vertreibungen nicht zulassen werden. Welchen Weg auch immer sie dafür wählen werden, an ihrer Entschlossenheit kann kein Zweifel herrschen.

Info-Treffen auf dem BUKO: Samstag 14-15 Uhr, Raum NM 128

 

 

 
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