Vom indischen Staat zu Tode gebracht: Stan Swamy stirbt im Krankenhaus unter Haftbedingungen

10.07.2021, Indien

Der indische Jesuitenpater und Menschenrechtsaktivist Stan Swamy ist am Montag, 05. Juli 2021, im Alter von 84 Jahren im Krankenhaus unter Haftbedingungen verstorben. Monatelang wurde er im Gefängnis unzureichend medizinisch betreut, eine Behandlung in einem Krankenhaus war lange verweigert worden. Schon vor seiner Verhaftung im Oktober 2020 litt er an der Parkinsonschen Krankheit und hatte sich zudem mit Covid-19 infiziert – wahrscheinlich im Gefängnis.

Eine Freilassung aus humanitären Gründen wurde von den Justizbehörden ablehnt. Die Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy spricht daher von einem „Mord in Zeitlupe“ durch den indischen Staat.

Stan Swamy, der im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu geboren wurde, lebte viele Jahrzehnte mit Dalits und Adivasi-Communties im Bundesstaat Jharkhand, lernte von ihren täglichen Kämpfen gegen staatliche und systemische Unterdrückung und engagierte sich für sie. Den Zorn und den unbedingten Verfolgungswillen der regierenden hindunationalistischen Indischen Volkspartei (BJP) unter Premierminister Modi und der Ermittlungsbehörden zog er sich auch für seine Solidarität mit der Pathalgadi-Selbstverwaltungsbewegung - eine von Adivasi im Khunti-Distrikt von Jharkhand zur Durchsetzung ihrer Rechte ins Leben gerufene Widerstandsbewegung - zu und für seine Rolle bei einem öffentlichen Rechtsstreit, bei dem er die Freilassung von mehr als 4.000 angeklagten Adivasi in den Gefängnissen in Jharkhand forderte.

Stan Swamy wurde unter dem restriktiven Anti-Terror-Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gefangen genommen. Er war der letzte von 16 Verhafteten im sog. Fall Bhima Koregaon. Am 1. Januar 2018 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in dem Ort Bhima Koregaon im indischen Bundesstaat Maharasthra, als Dalits nach einer Grossveranstaltung von hindunationalistischen Gruppen angegriffen wurden. Die Polizei ging danach jedoch nicht gegen die durch Zeugen identifizierbaren Verantwortlichen der Gewalt vor. Stattdessen wurden sukzessive Menschenrechtsaktivist*innen, Kulturschaffende, eine Gewerkschafterin, Schriftsteller, Anwält*innen und Akademiker*innen aus verschiedenen indischen Bundesstaaten beschuldigt, zur Kasten-Gewalt aufgerufen und sich als sog. urbane Naxaliten dem bewaffneten kommunistisch-maoistischen Aufstand der Naxaliten angeschlossen zu haben. Als „Beweise“ werden Dokumente angeführt, die offensichtlich in den Computer eines der Gefangenen geschmuggelt wurden. Gemeinsam ist den Angeschuldigten, dass sie sich für Dalits und Angehörige der untersten Kasten, für Adivasi, für Frauenrechte und die Rechte der informellen Arbeiter*innen eingesetzt haben. Bei einer Verurteilung unter dem UAPA-Gesetz drohen für alle lange Gefängnisstrafen. Für einige würde das bedeuten, dass sie im Gefängnis sterben werden. Einer von ihnen, Stan Swamy, ist nun vom indischen Staat zu Tode gebracht worden.

Freund*innen und Angehörige fürchten um das Leben der anderen BK-Gefangenen, die dem selben Gefängnisregime unterworfen sind. Viele von ihnen benötigen dringend medizinische Behandlung.

Weiteres zum Tod von Stan Swamy und den „BK 15“:
https://free-them-all.net/

https://napmindia.wordpress.com/2021/07/07/fr-stan-swamys-institutional-murder-must-lead-to-a-nation-wide-movement-against-draconian-anti-people-laws-and-state-repression/