Türkische Luftangriffe auf Rojava halten an

15.01.2024

Die türkische Luftwaffe greift weiterhin Nordsyrien/Rojava an. Mit Drohnen und Kampfflugzeugen werden Angriffe auf die Infrastruktur und die Zivilbevölkerung geflogen, die Stromversorgung ist bereits zusammengebrochen. Wir dokumentieren die aktuelle Pressemitteilung von Civaka Azad, dem Kurdischen Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit vom 15.01.2024 zu den Angriffen.

Nordsyrien: Türkische Luftangriffe auf Infrastruktur - Stromversorgung zusammengebrochen

Pressemitteilung von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 15.01.2024

Der türkische Staatsterror gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien unter dem Deckmantel der „Terrorbekämpfung“ dauert auch am Montagmorgen unvermindert an. Kampfflugzeuge und Drohnen der Türkei kreisen weiterhin am Himmel über der Region und greifen Infrastruktur sowie Zivilbevölkerung an.

Am Montagmorgen kam es zu weiteren Drohnenangriffen des türkischen Staates in Nordsyrien/Rojava. Ziele waren unter anderem das Justizgebäude und das Industrieviertel in der Stadt Qamişlo. Auch aus den Orten Rimêlan und Til Temir wurden Raketeneinschläge und Bombardierungen gemeldet. Bereits am gestrigen Sonntag wurden in Kobanê Feuerwehrleute, die Löscharbeiten auf dem Gelände einer ehemaligen Zementfabrik durchführten, von türkischen Kampfbombern beschossen. Die Fabrik in Çelebiyê (al-Dschalabiyya) im Südosten des Kantons war im Laufe des Tages bereits mindestens dreimal aus der Luft bombardiert worden.

Weitere Angriffe am gestrigen Sonntag richteten sich in Kobanê gegen die Getreidelager. Zuvor waren in dem Kanton bereits, eine Basis der Sicherheitsbehörde Asayîş und ein Elektrizitätswerk bombardiert worden, das rund 300 Dörfer in der Region mit Strom versorgte. Tausende Haushalte sind von der Energieversorgung seither abgeschnitten.

Angriff auf Reporterteam

Ebenfalls in Kobanê wurde ein Reporterteam von Hawarnews (ANHA) offenbar gezielt vom türkischen Militär angegriffen. Die Journalisten der in Nord- und Ostsyrien ansässigen Nachrichtenagentur befanden sich am Sonntag in einem Getreidelager in Kobanê, als eine türkische Drohnenrakete das Lager traf. Dabei wurde ein ANHA-Mitarbeiter verletzt. Das Weizenlager im Süden von Kobanê war wenige Stunden vor dem Angriff ebenfalls von einer Drohne des türkischen Staates bombardiert worden. Das ANHA-Team war damals vor Ort, um die Schäden des Bombenangriffs zu dokumentieren. Ihr Fahrzeug mit der Aufschrift „Presse“ stand vor dem Gebäude und war deutlich zu erkennen.

Stromversorgung in weiten Teilen von Rojava zusammengebrochen

Die Angriffe der Türkei auf die zivile Infrastruktur im Norden und Osten Syriens haben schwere Schäden verursacht. Die türkische Luftwaffe bombardierte am Sonntag die Stromversorgungseinrichtungen von Kobanê, Ain Issa, Amûdê, Qamişlo, Tirbespiyê und Siwêdiyê (As-Suwaydiyah). Fast im gesamten Kanton Cizîrê sowie in weiten Teilen des Kantons Firat, in den Städten Kobanê und Ain Issa sowie in 660 umliegenden Dörfern ist die Stromversorgung zusammengebrochen.

Wie das Büro für Energieversorgung des Kantons Firat mitteilte, dauern die Angriffe auf zivile Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen und Wohngebiete an. Die Stromversorgungseinrichtungen in Kobanê und Ain Issa seien vollständig zerstört worden.

Seit vier Tagen türkische Luftangriffe

Den vierten Tag in Folge greift die Türkei die autonome Region Nord- und Ostsyrien aus der Luft an, zusätzlich zu den schweren Bombardements in der irakischen Kurdenregion (KRI). Die Staatsführung in Ankara rechtfertigt die Angriffe als „Vergeltung“ für den Tod türkischer Soldaten bei „grenzüberschreitenden Operationen“ im Nordirak, beruft sich aber gleichzeitig auf das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Ein Recht auf Vergeltung kennt das Völkerrecht jedoch nicht.

Aktivist:innen warnen derweil davor, dass die Türkei Angriffe ihrer Luftwaffe auf das eigene Staatsgebiet den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) oder den Volksverteidigungseinheiten (YPG) zuschreiben könnte, um eine Grundlage für einen neuen Angriffskrieg gegen Nord- und Ostsyrien zu schaffen. In der kurdischen Grenzstadt Pirsûs (tr. Suruç), die in der Provinz Riha (Urfa) und direkt gegenüber von Kobanê liegt, soll es zu Bombenangriffen auf ein ländliches Gebiet gekommen sein.

Autonome Selbstverwaltung: „Internationale Institutionen müssen ihrer Verantwortung gerecht werden“

Mit scharfen Worten haben die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD/SDF) den türkischen Staat kritisiert und Reaktionen auf die jüngste Welle von Luftangriffen auf das Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyriens angekündigt. In einer Erklärung wies das multiethnische Bündnis erneut die Darstellung der Türkei zurück, wonach neun QSD-Mitglieder bei einem angeblichen Infiltrationsversuch in die Besatzungszone in Nordsyrien von der türkischen Armee getötet worden seien. Dies hatte das türkische Verteidigungsministerium zuletzt behauptet und mit „Vergeltungsschlägen“ gegen die Selbstverwaltungsgebiete begründet.

Bereits am Samstag hatte die Demokratische Selbstverwaltung der Region Nord- und Ostsyrien (DAANES) ein Ende der türkischen Angriffe gefordert. „Wir erklären, dass die Angriffe auf unsere Gebiete gestoppt werden müssen. Wir rufen alle in Syrien aktiven Kräfte auf, die Gefahr dieser illegalen Angriffe und ihre negativen Folgen für die Bemühungen um die Stabilisierung der Region zu erkennen. Die Angriffe bedrohen die Arbeit für eine gesellschaftliche Organisation und eine demokratische Lösung sowie die Bemühungen zur Ausrottung von Terrorismus und Extremismus in unserer Region. Um diese Angriffe zu verhindern, müssen auch die internationalen Institutionen ihren Beitrag leisten und ihrer Verantwortung gerecht werden“, so die Selbstverwaltung in ihrer Erklärung. Ziel der Anschläge sei es, die Sicherheit zu untergraben, den Kampf gegen den IS zu verhindern und das demokratische Projekt in der Region zu zerstören.

Für weitere Informationen und Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Mako Qocgiri

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