Neue Hochschulen braucht die Welt

BiEm-Treffen, 19.-21.5.2017, Bochum, Hof Bergmann. Die universitas des Abendlandes hat abgedankt – lasst uns die Uni neu denken! Die „unternehmerische Hochschule“ ist im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung weltweit auf dem Vormarsch, und aktuell flammen auch hierzulande wieder Debatten über eine verstärkte Kommerzialisierung „tertiärer Bildung“ auf – sprich: Studiengebühren könnten bald wieder Thema Nummer eins in der deutschen Hochschulpolitik werden. Bevor altbekannte Abwehrkämpfe jedoch wieder unsere Ressourcen verschlingen, sollten wir in die Offensive gehen und grundlegende Fragen stellen: Wie können wir die Hochschule der Zukunft neu denken?

Welche Alternativen gibt es zum Konzept ökonomischer Verwertbarkeit? Wie können wir uns aus dem Klammergriff der Wirtschaft befreien und eine Finanzierung ohne 'Drittmittel' sicherstellen? Lasst uns unsere Gedanken frei entfalten und Manifest-Bausteine entwickeln, die uns einen gemeinsamen Weg zur universitas der Zukunft weisen – denn eines ist sicher: Neue Hochschulen braucht die Welt!

Hierzu wollen wir uns zum Auftakt eines dreitägigen Workshop zunächst mit den avantgardistischen Wurzeln des Manifests befassen, um das Potenzial der Wirkmächtigkeit von Sprache auszuloten. In einem Input-Referat wird der Autor, Journalist und Literaturwissenschaftler Dr. Ulrich Schröder insbesondere den – im Gegensatz zur zeitgleichen Bewegung in Italien politisch eher linken – russischen Futurismus im Vorfeld der Oktoberrevolution zum Ausgangspunkt nehmen.[1] Hierbei gilt es im Wortsinne einer Avantgarde sowohl auf kultur- als auch bildungspolitischem Terrain, „'Vorhut' zu sein“ und vor dem „Gestus einer 'Ohrfeige für den öffentlichen Geschmack'“[2] nicht zurückzuschrecken[3].

So forderten die russischen Futuristen in ihrem „Dekret Nr. 1 über die Demokratisierung der Künste“ 1918 einen kulturellen Neuanfang: „Von heute an wird – zugleich mit der Vernichtung des zaristischen Systems – das Dasein der Kunst in den Abstellkammern und Schuppen der menschlichen Schöpferkraft – den Palästen, Galerien, Salons, Bibliotheken und Theatern – beendet.“[4] Was damals für den jahrhundertelang als 'alternativlos' angenommenen Zarismus galt, muss heute für die weltweit dominierende Herrschaftsform eines mit ökonomischen Mitteln repressiven Kapitalismus gelten, der immer größere Teile menschlichen Kreativpotenzials in den Hinterzimmern von Kultur- und Bildungseinrichtungen versauern lässt: Im Kultur- und Bildungsbereich muss Schluss sein mit selektiver Effizienzlogik, die Wirtschaftsverwertbarkeit über menschliche Grundwerte und soziale Gerechtigkeit stellt! Dem wollen wir ethische Leitlinien selbstorganisierter hochschulischer Bildung entgegensetzen, die eine freie Entfaltung des Potenzials Lehrender wie Studierender ohne ökonomische Zwänge und Barrieren ermöglicht.

Am zweiten Workshop-Tag wollen wir Bausteine für ein Bildungsmanifest einer Freien Hochschule der Zukunft entwickeln. Hierbei könnt Ihr Eurer Kreativität freien Lauf lassen und Euch vor allem an Euren eigenen Wertvorstellungen orientieren. In einem zweiten Schritt sollen dann Resultate früherer Workshops einbezogen werden, die als weitere Manifest-Bausteine integriert werden können. Am letzten Tag des Workshops überprüfen wir dann, ob wir zu einem gemeinsamen Manifest gelangen können oder unsere Vielstimmigkeit in einem Reader bündeln, der eine möglichst große Breite von Manifest-Bausteinen dokumentieren soll. Das Seminar wird vom 19.-21. Mai in Bochum stattfinden.

Veranstaltungsort ist der alternative Bauerhof "Hof Bergmann". Auf dem Hof gibt es keine Übernachtungsmöglichkeiten. Wenn ihr einen Schlafplatz benötigt, sagt bitte mit der Anmeldung (mail@buko.info) Bescheid. Wir bemühen uns derzeit Schlafplätze in der Nähe zu organiseren.

Adresse:

Hof Bergmann

Höfestraße 71

44803 Bochum

 

Anreise:

 ab Bochum Hbf: mit Straßenbahn 310 Richtung Witten Heven Dorf,

Haltestelle Bochum

Laer Mitte aussteigen. Dort in Bus 372 Richtung Ruhr-Universität,

Haltestelle Höfestraße aussteigen.

 

Anmeldung: ab sofort unter mail@buko.info

Das Seminar wird finanziell gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung.


[1]Während die künstlerische Avantgarde des russischen Futurismus als Vorreiter und (kritischer) Wegbegleiter der Oktoberrevolution 1917 begriffen werden kann und ein Abgesang auf die bürgerliche Gesellschaft mit dem konstruktiven Impetus des Neuaufbaus einer sozial gerechteren Gesellschaft einher ging, wurde der italienische Futurismus vom destruktiven Gestus eines vernichtenden Rundumschlags gekennzeichnet, der schließlich den aufkeimenden Faschismus befeuerte. Letzteres illustrieren insbesondere die beiden folgenden Auszüge aus insgesamt elf Punkten des „Manifest des Futurismus“, das der Italiener Filippo Tommaso Marinetti erstmals 1909 in der französischen Zeitung Le Figaro lancierte: „9. Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat des Anarchisten […]. 10. Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören […].“ (Zit. n. Asholt u. Fähnders, a.a.O., S. 5). 

[2]Eigene Hervorhebung des Titels eines der Gründungsdokumente des russischen Futurismus.

[3]Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909-1938). Sonderausgabe, hg. v. Wolfgang Asholt u. Walter Fähnders. Metzler: Stuttgart u. Weimar 1995/2005, S. XV.

[4]Zit. n. ebd., S. 140. Unterzeichner des Manifests waren die russischen Avantgardisten Vladimir Majakovskij, David Burljuk, Vasilij Kamenskij.