Auszug aus dem Offenen Brief:
Sehr geehrte Geschäftsführung des Klett-Verlags,
die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, fordert in der kürzlich herausgegebenen Schulbuchstudie Migration und Integration die deutsche Bevölkerung mit Erich Kästners Zitat auf: "Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern". Wir nehmen die Staatsministerin beim Wort und bringen mit diesem Schreiben unser Missfallen in Bezug auf die vom Klett-Verlag 2015 neu herausgegebene Serie "Meine Indianerhefte" zum Ausdruck. Wir, das ist ein Zusammenschluss aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Schulen, Lehrer*innen, Wissenschaftler*innen, Bildungsarbeiter*innen und Einzelpersonen aus dem In- und Ausland.
Die Hefte sind als ein Zusatz zu Unterrichtsmaterialien gedacht und sollen Grundschulkinder mit spielerischen Schreib-, Lese- und Rechenübungen beim Lernen unterstützen. Die einzelnen Übungen sind unterbrochen durch "kindgerechte Indianerseiten zur Motivation". Durch die Hefte begleitet die Leser*innen Anoki, ein junger Native American mit Federschmuck. Auf einzelnen Seiten finden sich willkürlich Zeichnungen von Tomahawks, Tipis, Totempfählen und Federn, aber auch ein bunter thematischer Mix von deutschen Alltagssituationen bis hin zu Ritterburgen und einsamen Palmeninseln.
Wir kritisieren die neuen Lernhefte, weil sie Native Americans als Maskottchen für Werbezwecke missbrauchen und sie gleichzeitig durch ihre stereotypisierende Darstellung diskriminieren. Die Art und Weise, wie Anoki und seine Verwandten dargestellt werden, haben weder etwas mit historischer noch aktueller Lebensrealität von Native Americans zu tun, welche vielmehr von Rassismus, kolonialer Eroberung, Landraub, Genozid und Widerstand dagegen geprägt ist, sondern entspringen der weißen europäischen Fantasie bzw. spezifisch "deutscher Indianertümelei" (Hartmut Lutz 2002). Entsprechend werden durchgehend Termini wie `Häuptling` oder `Stamm`, sowie Fremdbezeichnungen wie `Indianer` verwendet, die im Kontext von Kolonialismus entstanden sind und dessen Folgen als rassistisch bezeichnet werden müssen. Menschen mit Fremdbezeichnungen zu benennen ist eine gewaltvolle koloniale Tradition und hatte den Effekt, die so Bezeichneten zu einer homogenen Masse zu verallgemeinern, sie innerhalb einer angenommenen `Rassenhierarchie` zu klassifizieren (und an das unterste Ende zu setzen) und so zu kontrollieren. Wir sehen keinerlei Gründe, warum ein führender deutscher Schulbuchverlag im 21. Jahrhundert sich in diese Tradition stellen sollte.
Weitere Infos findet ihr bei glokal e.V.: www.glokal.org