Die BUKO hat den Offenen Brief an die gemeinsamen Arbeitsgruppe der KMK und des BMZ zur Überarbeitung des Orientierungsrahmens für den Lernbereich globale Entwicklung unterzeichnet.
Ein Auszug aus dem Brief: Der Orientierungsrahmen hat in den letzten Jahren sehr stark an Bedeutung gewonnen und bildet einen normativen Referenzrahmen für Aktivitäten des Globalen Lernens und der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Ob im schulischen Lernen, in Angeboten der Zivilgesellschaft, in Förderanträgen oder in der Wissenschaft: Der Orientierungsrahmen mit seinen ideologischen Setzungen, seiner Auswahl an Themen und zu vermittelnden Kernkompetenzen, sowie seinen exemplarischen Unterrichtsvorschlägen prägt die entwicklungspolitische Bildungsarbeit in Deutschland wie bis dato kein anderes Dokument.
In unserer ersten Analyse sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Orientierungsrahmen - auch im Entwurf seiner Neufassung - seinem eigenen Anspruch und Ziel einer transformativen Bildung nicht gerecht wird.
Stattdessen ist der Orientierungsrahmen in seiner aktuellen Form als Produkt der weißen bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft erkennbar, der wiederum nur eine weiße bürgerliche Mehrheitsgesellschaft als Zielgruppe mitdenkt. Durch Stereotypisierungen, Ausschlüsse und Diskriminierungen, sowie eurozentrische Perspektiven auf Welt, Gesellschaft und Geschichte manifestiert er Ungleichheitsverhältnisse, sowohl global als auch in der deutschen Migrationsgesellschaft.
Forderung 1: Migrantisch-diasporische und zivilgesellschaftliche Fachleute sowie Expert_innen aus dem globalen Süden müssen mit ihren unterschiedlichen Perspektiven aktiv und maßgeblich in die Überarbeitung des Orientierungsrahmens einbezogen werden. Ihre mündlichen oder schriftlichen Beiträge sind namentlich zu erwähnen und sollten Bestandteil der Literaturliste und der Quellenangaben sein.
Forderung 2: Der Orientierungsrahmen muss dahingehend überarbeitet werden, dass eine gender- und diskriminierungssensible (An-)Sprache benutzt wird, die die Realitäten in Deutschlands Klassenzimmern und in seiner Zivilgesellschaft zur Kenntnis nimmt und aktiv alle Schüler_innen (unabhängig von Herkunft, Schicht, Religion und legalem Status usw...) als Zielgruppe mitdenkt. Die Kernkompetenzen müssen so formuliert werden, dass sie nicht zu Herrschaftskompetenzen werden, sondern unterschiedliche Positionierungen berücksichtigen und zur Verringerung von Ungleichheit beitragen.
Forderung 3: Die theoretische Rahmung des Orientierungsrahmens muss seine ideologischen Grundlagen kenntlich machen, sich von seiner hegemonialen Perspektive verabschieden und Alternativen zum Entwicklungsparadigma und zum dominanten Nachhaltigkeitsdiskurs thematisieren.
Forderung 4: Analysekategorien wie Gender, Klasse und "Rasse" müssen mitgedacht werden. Kapitalismus und Neoliberalismus als herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme müssen benannt und kritisch behandelt werden.
Forderung 5: Der Orientierungsrahmen muss die Geschichten von Versklavung, kolonialer Gewalt, Rassismus und wirtschaftlicher Ausbeutung, aber auch von Selbstbehauptung und Widerstand aufgreifen und dazu ermutigen, die 500-jährige - auch deutsche - koloniale Geschichte als unmittelbar die Gegenwart betreffend zu verstehen. Nur so kann globalhistorisches Verantwortungsbewusstsein entwickelt werden, aus dem heraus im Sinne einer "restorative justice" gehandelt werden kann.
Den komplette Brief & weiter Infos findet ihr hier: decolonizeorientierungsrahmen.wordpress.com