Umkämpfte Demokratie in der Türkei

Es schien so, als sei 2011 rund um das Mittelmeer eine Demokratiewelle ausgebrochen. In Nordafrika wurden autoritäre Regime gestürzt und in Südeuropa entstanden Massenbewegungen gegen soziale Missstände und für mehr Demokratie. Eine gegensätzliche Tendenz lässt sich in der Türkei feststellen. Die moderat-islamische AKP-Regierung hatte durch einige Reformen bei vielen Menschen Hoffnungen auf mehr Partizipation und soziale Gerechtigkeit aufkommen lassen, die sich jedoch spätestens im Herbst 2011 zerschlugen. Was sind die Gründe dafür, dass die Demokratiewelle in der Türkei nicht angekommen ist? Einen zentralen Punkt der politischen Auseinandersetzungen in der Türkei und ein Hindernis für eine weitere Demokratisierung bildet die „Kurdenfrage“, die weit davon entfernt ist, gelöst zu werden. Eine Lösung des gegenwärtigen Konflikts ist ohne eine Aufarbeitung der staatlichen Homogenisierungspolitik und eine Abkehr von der Vorstellung eines ethnisch homogenen türkischen Nationalstaates nicht möglich. Solange die grundlegenden Konfliktursachen bleiben, ist an einen nachhaltigen und gerechten Frieden in den kurdischen Gebieten nicht zu denken. Allerdings ist die Politik des türkischen Staates, sowohl beim Umgang mit den gegenwärtigen kurdischen AkteurInnen als auch im Bezug auf die Geschichtspolitik, einem solchen Frieden entgegengesetzt.