Antirassistische Politik in transnationaler Perspektive
Auf der einen Seite eine immer massivere Abschottung von Nationen und Kontinenten, auf der anderen Seite eine Proklamation angeblicher Offenheit und Willkommenskultur: Wir wollen einerseits Fragen stellen, die sich mit der Analyse der politischen Situation im Bezug auf Migration beschäftigen und gleichzeitig eine Diskussionsplattform zur Vernetzung der vielen antirassistischen Bewegungen schaffen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit jetzt und in Zukunft zu diskutieren.
Für die antirassistischen Kämpfe für Bewegungsfreiheit und gegen das Abschottungsregime der Europäischen Union ergeben sich vielschichtige Aufgaben und Anknüpfungspunkte. Das Sterben von Geflüchteten im Mittelmeer und an den EU-Außengrenzen und die Verantwortung europäischer Institutionen sind eine Tatsache, trotzdem verschärft die Europäische Union ihre Abschottungspolitik weiter. Die EU-Außengrenzen werden noch stärker aufgerüstet, die Befugnisse der Grenzschutzorganisation Frontex erweitert. Gemeinsame Polizeioperationen der europäischen länder praktizieren Racial Profiling auf hohem Niveau. In Spanien werden Lager eingerichtet, deren einzige Funktion es ist, Menschen wieder auf die andere Seite der Grenze zu bringen und sie dort ihrem Schicksal zu überlassen. Gleichzeitig werden weitere Staaten wie Serbien, Montenegro und Mazedonien von Seiten Deutschlands als sichere Herkunftsländer anerkannt.
Welche Verbindungen der einzelnen Kämpfe ergeben sich?
Gleichzeitig bleibt ein Großteil der Migrationsbewegungen innerkontinental. Es gibt z.B. weitaus mehr Geflüchtete auf dem afrikanischen Kontinent als in Europa und aktuell viele Geflüchtete aus Syrien in Jordanien und der Türkei.
Wie stehen Bewegungen hier mit Menschen in anderen Ländern im Austausch, was können wir voneinander lernen? Welche Verschränkungen antirassistischer Arbeit mit radikaler Kritik globaler Herrschaftsverhältnisses und Ausbeutung ergeben sich? Welche Verbindungen bestehen mit anderen sozialen Bewegungen in Bezug auf globale Fluchtursachen wie politische Konflikte, Folgen des Klimawandels und ökonomische Ausbeutung in einer durch (Neo-)Kolonialismus geprägten Welt?
Auch wenn Menschen es bis zu einem vermeintlich sicheren Ort geschafft haben, so ist ihr Leben oftmals geprägt von Diskriminierung und Unsicherheit, von institutionellem und Alltags-Rassismus. Residenzpflicht, Lagerunterbringung, Arbeitsverbot, rassistische Behörden, Illegalisierung und die ständige Angst vor Abschiebung führen zu Isolation und verhindern ein selbstbestimmtes Leben.
Gleichzeitig treffen die bestehenden rassistischen und (post-)kolonialen Strukturen und Praktiken wie z.B. Alltagsdiskriminierung, rechtsextreme Bewegungen wie PEGIDA, rassistische Übergriffe und Racial Profiling nicht nur Migrant*innen, sondern alle Menschen, die in einer weißen Dominanzgesellschaft durch eine kolonial geprägte Differenzproduktion von außen als angeblich 'anders' oder 'fremd' definiert werden.
Doch statt sich tatsächlich mit (post-) kolonialen Machtstrukturen auseinanderzusetzen, wird oftmals eine angebliche "Willkommens-Kultur" propagiert. In Münster erleben wir eine Stimmung von Seiten der Stadt, die nach außen das Bild einer offenen und hilfsbereiten Gesellschaft präsentieren will: "Wir lieben Vielfalt" ist das Motto. Bei all den Floskeln darf nicht vergessen werden, dass struktureller wie alltäglicher Rassismus nicht durch Demonstrationen gegen PEGIDA und ehrenamtliches Engagement der Bürger*innen verschwinden.
Welche Möglichkeiten des Protestes und antirassistischer Interventionen gibt es um (post)koloniale Strukturen und den rassistischen Normalzustand zu kritisieren und zu bekämpfen? Wie können die bestehenden Proteste und Kämpfe gegen den strukturellen Rassismus fortgeführt und parallel die radikale Kritik an Grenzen und Nationen und die Forderung nach Bewegungsfreiheit weiter getragen werden?
Zusätzlich zu schon langjährig bestehenden Selbstorganisationen sind in den letzten Jahren viele neue Initiativen von Geflüchteten entstanden, es wurden Proteste in vielen Städten in Deutschland und in weiteren Ländern Europas organisiert. Es gab Besetzungen, Menschen sind in den Hungerstreik getreten, es fanden mehrere Protestmärsche und grenzüberschreitende Vernetzungen statt wie der Protestmarsch nach Brüssel oder die Internationale Flüchtlings-Konferenz in Rom. Ein wichtiger Schwerpunkt ist seit einiger Zeit die praktische Verhinderung von Abschiebungen durch zivilen Ungehorsam. Während sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr Geflüchtete organisiert haben, kam es oft zu massiver Repression, wiederholten Hinhalte-Taktiken durch die Politik und Diffamierungen der Bewegung. Die neuste Zuspitzung in Deutschland schlägt sich zur Zeit in den geplanten Gesetzesänderungen des Asylrechts nieder, das politisch aktive Geflüchtete kriminalisiert, und ihnen das Recht nehmen soll, für ihre Rechte zu kämpfen.
Nach all den aufwühlenden Kämpfen und Aktionen der vergangenen Jahre - wo steht die Bewegung heute? Wie können die Kämpfe in den verschiedenen Ländern weiter vernetzt und der Protest gegen das europäische Grenzregime weitergehend transnational organisiert werden?
Wie sieht die Unterstützung seitens antirassistisch motivierter Menschen aus? Welche Möglichkeiten gibt es bei der Unterstützung Geflüchteter? Welche Widersprüche ergeben sich dabei? Inwieweit wurden in den vergangenen Jahren (post)koloniale Hierarchien bewusst gemacht und versucht abzubauen, inwieweit konnten paternalistische Strukturen überwunden werden oder auch nicht?
Was haben die Bewegungen in den vergangenen Jahren gelernt und wie können diese Erfahrungen genutzt werden? Wie können transnationale Solidarität und eine weitere gemeinsame Praxis des Widerstandes aussehen?
Der BUKO-Kongress will ein Forum zur Reflexion der eigenen politischen Praxis und zum Austausch und neuer Vernetzung sein. Lasst uns der national und übernational agierenden Abschottungspolitik der Grenzregime eine transnationale gemeinsame Widerstandspraxis entgegensetzen!