Periphere "Homosexualitäten". Teil I

Zur Konstruktion gleichgeschlechtlicher Lust im Kontext von globaler Armut, religiösem Fundamentalismus und westlichem Menschenrechtsimperialismus. Die neoliberale Regierung sozialer Unsicherheit war vom ersten Moment an begleitet vom weltweiten Aufstieg neofundamentalistischer Bewegungen. Eines ihrer wesentlichsten Merkmale war es, den Fokus sozialer Auseinandersetzungen von Armut und Ausbeutung auf die Normalisierung von Geschlecht und Sexualität zu verschieben. Als gäbe es für sie keine vordringlichere Frage, arbeiteten ugandische Parlamentarier unter dem Einfluss US-amerikanischer Evangelikaler drei Jahre lang an der Einführung der Todesstrafe für „schwere Homosexualität“, während islamistische Milizen im Irak eine Kampagne zur Ermordung von Emos und „effeminierten Jungen“ lancierten. Scheinbar gegenläufig dazu hat sich auch das internationale Interesse für die Rechte von „Lesben und Schwulen“ vergrößert. Dabei bewegt es sich nicht selten auf einem schmalen Grat zwischen der Instrumentalisierung für Krieg und Rassismus und „echter“ Solidaritätsarbeit. Doch auch letztere muss sich die Frage stellen, wann sie zur Komplizin wird: nicht nur für die fundamentalistische Verdunkelung der sozialen Frage, sondern auch für die liberale Aussonderung gleichgeschlechtlicher Lust im Namen ihrer "Befreiung".