BUKO 25: Eine andere Globalisierung ist möglich!
Die Bundeskoordination Internationalismus nach Seattle, Genua und dem 11. September

 

 

 

Pressemitteilungen vom BUKO25 in Frankfurt:

Freitag, 10.05.02 Bilder

Solidarischer Widerstand in globalen Zeiten

Zweiter Tag des Internationalismuskongress "Tatort Globalisierung"

 

Wie groß das Bedürfnis der TeilnehmerInnen der Bundeskoordination Internationalismus ist, eine neue Definition und Bewertung von Internationalismus zu diskutieren, zeigten auch die Veranstaltungen am Freitag, dem zweiten Kongresstag. Im Mittelpunkt standen die Podiumsveranstaltungen "Zwischen Straßenprotest und Netzguerilla - Die Produktion von (Gegen-) Öffentlichkeit" und "Wege aus der Sackgasse - Der Nahostkonflikt und die Solidaritätsbewegung". Daneben wurden in vielen Arbeitsgruppen die Fragestellungen aus den Podiumsveranstaltungen vertieft und ein erster Erfahrungsaustausch der praktischen Ansätze der Gruppen aus der BuKo begonnen.
In der Podiumsveranstaltung zu Gegenöffentlichkeit zeigte ein kurzer historischer Abriss den Wandel in der Struktur der Öffentlichkeit und der Medien. Ging die politische Linke in den 70er Jahren noch von einem Konzept der Gegenöffentlichkeit aus, das versuchte, die Trennung von privat und öffentlich aufzuheben, die bürgerliche Presse radikal zu kritisieren, so wurde sie in den 80ern bereits in ihre Nischen verbannt. Die 90er brachte für viele Linke eine Entscheidung zur Professionalisierung, andere Inhalte sollten in die bürgerlichen Medien gebracht werden, die Kritik war insofern nicht mehr formal auf die Medien selbst bezogen. Die große Mehrheit der VeranstaltungsteilnehmerInnen stimmte Katharina Pühl, die im Fachgebiet Frauen und Geschlechterforschung an der Universität Kassel arbeitet, in ihrer kritischen Einstellung gegenüber dem Glauben an einen Pluralismus der bürgerlichen Medien zu. Es müsse den Freiraum geben, eine eigne Praxis zu entwickeln, die sich nicht sofort an Effizienz zu messen habe. Eigene Erfahrungen sollten nicht für wertlos gehalten werden, denn die internationalistische Bewegung operiere nicht nur im diskursiven Raum. Anzuknüpfen sei dabei auch an die Frage des Eröffnungsplenums, welche Formen von Subjektivität im Neoliberalismus vorgegeben seien. Dass dabei Geschlechterverhältnisse nicht erwähnt wurden, mache sie selbst zu einer Vertreterin von Gegenöffentlichkeit auf der buko.
Einen Rahmen und eine neue Struktur von Gegeninformation bietet das Beispiel indymedia, vorgestellt von Winni Medina. Die Form des open posting erfordere sowohl kritische ProduzentInnen von Information als auch kritische KonsumentInnen. Indymedia sei eine Form der Kanalisierung von Informationen, ein Portal, das sich antikapitalistischer Globalisierungskritik verschrieben habe, hierarchiekritisch und nicht kommerziell. Die Vormittagsveranstaltung wurde von etwa 300 TeilnehmerInnen besucht.

"Wie international ist die internationalistische Presse?" wurde z.B. in einer Arbeitsgruppe am Nachmittag gefragt. Etwa 30 Journalistinnen und Journalisten diskutierten hier über Ressourcenknappheit der linken Medien, die Schwierigkeiten den Kontakt mit Autorinnen und Autoren aus den Ländern des Südens über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten und die Veränderungen der redaktionellen Konzepte: War vormals die Länderberichterstattung der Schwerpunkt in den Solidaritäts-Medien, werden heute mehr Diskursthemen aufgegriffen und erscheinen an prominenter Stelle.
Auch in den linken Medien finden sich kaum JournalistInnen und Berichterstatter aus dem Süden.

In der Arbeitsgruppe "Wem gehört die Natur? Biopiraterie und Widerstand" wurde die Patentierung von Leben, die Aneignung und Vermarktung von natürlichen Ressourcen problematisiert und auf geplante Aktivitäten gegen Biopiraterie hingewiesen. Andere Arbeitsgruppen, die am Samstag fortgesetzt werden, thematisieren u.a. fairen Kaffeehandel, Privatisierung von Wasser oder Internationalisierung des Widerstands.

Die Veranstaltung "Wege aus der Sackgasse - Der Nahostkonflikt und die Solidaritätsbewegung" zog wie erwartet viele Interessierte an. Rund 800 Personen verfolgten die Beiträge der Gäste Aida Touma Souliman (Geschäftsführerin der arabischen Frauenrechtsorganisation "Women against Violence" und Mitglied der Kommunistischen Partei Israels), Moshe Zuckermann (Historiker und Autor aus Tel Aviv) und Sabah Alnasseri (Politologe, Frankfurt/Main). Die Diskutierenden sahen ihre schlimmsten Befürchtungen durch die Realität übertroffen, eine polische Lösung des Krieges in Israel und Palästina sei aussichtsloser denn je. Die hiesige Linke sei an dieser Frage gespalten wie nie zuvor.
Die neue Intifada hat mehr Opfer gefordert als die Auseinandersetzungen in den letzten zwanzig Jahren. Israel habe, so Zuckermann, die Wahl zwischen Skylla und Charybdis, d.h. entweder gibt Israel die besetzten Gebiete zurück. Dann genügen 5.000 bis 10.000 Hardliner, die sich in den Siedlungen verschanzen, um ein Bild heraufzubeschwören, in dem Juden auf Juden schießen.
Oder Israel gibt die besetzten Gebiete nicht zurück. In einer linksliberalen Perspektive wird die Infrastruktur in den besetzten Gebieten als irreversibel angesehen, eine Einschätzung, die politisch umgesetzt werden müsse. In der rechtsextremen Perspektive kann eine Rückgabe nicht gedacht werden, selbst wenn die Palästinenser dem zustimmen würden. Israel befände sich dann in einem Dauerzustand als Besatzungsmacht, in einem Dauerzustand der Gewalt in einer bi-nationalen Struktur.
Aida Touma Souliman bestätigte, dass eine Lösung nicht von den Palästinensern ausgehen könne, in einem ungleichen Kampf, in dem die Palästinensische Autonomiebehörde ihrer Infrastruktur beraubt sei. Erfolgreiche Dialogansätze seien in der jetzigen Situation zerstört. Keine Illusionen will sich Aida Touma Souliman über die derzeitige Stärke der israelischen Friedensbewegung machen. "Aber es können Veränderungen stattfinden, wenn die schlimmsten Tage kommen, sie werden kommen". Aus dem Publikum wurden mehrfach Fragen nach den Adressaten der Solidarität gestellt. Für Mosche Zuckermann, aber auch für Aida Touma Souliman und Sabah Alnasseri ist das nicht der Kern der Debatte. Eher sei diese Unsicherheit eine Folge der typisch deutschen Abstraktion von Weltverhältnissen, die nicht auseinanderhalten kann, was Antisemitismus und was Kritik am israelischen Staat ist.

Praktischen Solidarität in einem veränderten globalen Kontext war das wichtigste Thema in den Veranstaltungen des 2. Tages des Bundeskongresses. Wie diese in den neuen globalen Strukturen verwirklicht werden soll, ist nach dem notwendig gewordenen Bruch der BuKo-Gruppen mit den alten Mustern der internationalen Solidaritätsarbeit zu einer zentralen Frage geworden.

Bilder

 

 

 
Presseindex I Buko25 I Home