Hier findet ihr ab dem 20.09. Ausschnitte des Reisetagebuchs der Griechenland-Soligruppe "Gegen Spardiktate und Nationalismus". Alle Infos zu der Reisegruppe findet ihr unter: https://one-struggle.site36.net/
Das gesamte Reisetagebuch findet ihr derzeit bei LabourNet Germany: http://www.labournet.de/interventionen/wipo-gegenwehr/eu/wir-sind-alle-griechen/solidaritaetsreise/gegen-spardiktate-und-nationalismus-solidaritaetsreise-nach-griechenland-im-september-2015/
Keerfa: Wie Antira und Antifa zusammen gehen können - Steki Metanaston - Nachdenken über den ominösen fünften Juli - Perka, ein grünes Paradies am Rand der Stadt: Teil VI des Tagebuchs zur diesjährigen Solireise nach Griechenland.
Darin unter anderem: "Um 15.30 Uhr macht sich eine kleine Gruppe von uns auf den Weg, um Keerfa, die "Bewegung gegen Rassismus und faschistische Bedrohung" kennenzulernen. Wir sind gespannt, mehr über Hintergründe und Organisierung der antirassistischen und antifaschistischen Szene in Athen und Griechenland zu erfahren. Einige aus unserer Reisegruppe hatten auch schon am Rande der Gedenkdemonstration für Pavlos Fissas am 18. September erste Gelegenheit für einen Informationsaustausch mit Antifa- und Antira-Gruppen. (...) Keerfa wurde 2009 als Zusammenschluss mehrerer Initiativen gegründet - hier laufen verschiedenste Kämpfe der letzten 20 Jahre zusammen und werden weitergeführt. (...) Seit seiner Gründung führt das Bündnis gemeinsam mit migrantischen Organisationen einen Kampf gegen die faschistische Partei "Goldene Morgenröte", dabei stellen sie sich den Faschist_innen sowohl auf der Straße, in den Nachbarschaften als auch in den Institutionen und im Parlament entgegen. Kein Übergriff der Faschist_innen, keine Kundgebung oder Demonstration der Goldenen Morgenröte soll unbeantwortet bleiben. Mit dem Einzug ins Parlament 2012 versuchte die Goldenen Morgenröte verstärkt, sich in den Nachbarschaften zu etablieren, unterstützt von der Nea Demokratia und mit Rückendeckung von Teilen der Polizeibehörden. Die Forderung nach einem Verbot faschistischer Parteien hält Petros heute jedoch für den falschen Weg, um die faschistische Ideologie eindämmen zu können. Im weitesten Sinne leistet Keerfa zudem Antirepressions-Arbeit. Das Bündnis unterstützt Betroffene rassistischer und faschistischer Gewalt, erteilt Rechtsberatung, vermittelt Anwältinnen und Anwälte, dokumentiert Übergriffe und begleitet die Betroffenen bei der Anzeigenerstattung bei der Polizei. Durch die Dokumentierung und Veröffentlichung von faschistischen Übergriffen und der Untätigkeit der Polizei, die Angriffe zu verfolgen, sieht sich Keerfa nun selbst mit Strafanzeigen wegen Beleidigung des Staates konfrontiert..."
Zweiter Besuch in Perama / Soziales Zentrum - Die Sozialklinik Helliniko - Kneipengespräche - Besuch bei Manolis Glesos - Stand der Dinge
"... Ich hatte mich neben Christos von Solidarity4all gesetzt um mit ihm noch über die Lage zu diskutieren. Er ist auch aus Syriza raus, aber nicht zur neuen Volkseinheit. Er ging gar nicht wählen aus Protest. Was er an der Linken in der Volkseinheit kritisiert, ist, dass sie nicht wüssten, wie die Bevölkerung denkt (er sagt immer "Volk" wie fast alle hier). Für die Menschen sei es beim Referendum am 5. Juli ("Ochi"- oder Nein-Abstimmung) eigentlich nicht um den Euro-Austritt gegangen, wie viele behaupteten und die Linke dachte. Es ging ihnen viel mehr um Würde, Unabhängigkeit (Patriotismus) und Kämpfen gegen das Brüsseler und deutsche Diktat. Auf dieser Tastatur habe Tsipras ganz hervorragend gespielt. Die Linke habe dagegen alles auf die Frage Euro oder Drachme reduziert. Das sei aber völlig an der Realität vorbei gegangen, vor allem auch, weil es rein gar keine Vorbereitung darauf gegeben habe. Was er auch kritisiert, ist die weit verbreitete Putsch-Theorie, z.B. von der deutschen Linkspartei. Sie sage, es habe in Griechenland einen Putsch Deutschlands bzw. der europäischen Institutionen gegeben. Das sei jetzt die Grundlage dafür, Syriza bzw. Tsipras einen Freibrief zu geben nach dem Motto, sie seien Erpressungsopfer. Das habe z.B. Gregor Gysi am Freitag vor den Wahlen auf dem Syntagma-Platz gemacht. Tatsächlich habe es schon einen Putsch gegeben, aber in Griechenland. Und den habe die Gruppe um Tsipras durchgeführt, indem sie die Mehrheit der Partei entmachtet habe, an allen Parteistatuten vorbei..." Teil 5 des Tagebuchs zur diesjährigen Soli-Reise nach Griechenland
Der Wahlabend in Athen - Gespräch mit Solidarity4All - Das Rainbow-House - Besuch bei Sesoula
"Athen ist wie leergefegt. Die Griechen sind zur Wahl in ihre Geburtsorte gefahren. Es gilt als irrwitzig schwierig sich hier umzumelden. Da es keine polizeiliche Meldepflicht gibt, versuchen es viele gar nicht erst. Es gibt darüber hinaus keine Briefwahl. Wer wählen möchte, muss am Wahltag in den Ort fahren, in dem er registriert ist. Die Wahl zwischen dem "Nai" - dem griechischen "Ja" zum Memorandum und einem anderen "Nai" zum Memorandum, führte zu einer sehr geringen Wahlbeteiligung. (...) Wir gehen Richtung Syntagma, wo sich Syriza feiert. Im Gegensatz zur Wahl im Januar sind es lediglich 200 bis 300 Menschen, die zur Wahlparty gekommen sind. (...) Insgesamt ist die Stimmung an diesem Wahlabend in Athen verhalten. Keine Partei kann viele Gäste anziehen. Auf dem Syntagma Platz, auf dem die Nea Demokratia ihr Zelt aufgebaut hat, entsteht der Eindruck, dass mehr internationale Presse vor Ort ist als Wähler. Bei der PASOK (PanellinioSosialistikoKinima), die noch vor kurzem selbst die Regierung stellte, sitzen lediglich 5 Leute im Zelt..." Teil 4 des Tagebuchs zur diesjährigen Soli-Reise nach Griechenland
Besuch bei der Nachbarschaftsinitiative Perama - Demo zum Jahrestag der Ermordung von Pablos Fissas - Besuch bei der "Volkseinheit"
Teil 3 des Tagebuchs. Noch ohne Wahlen...
γεια σας! καλημέρα σας! Guten Morgen und guten Tag zusammen!
"... Ich sprach noch mit ihrem Mann, was er denn wählen werde. Er meinte, er werde wohl wählen gehen, aber wahrscheinlich ungültig. Auf meine Frage, warum er denn überhaupt hingehe, meinte er, er sei nicht so enttäuscht wie viele andere. Er habe nie daran geglaubt, dass Tsipras Griechenland retten könne. Das sei völlig unrealistisch gewesen. Was er Tsipras allerdings übelnehme, sei, dass er den Mund zu voll genommen habe. Z.B. habe er vor dem Referendum gesagt, er werde kein Ministerpräsident "für jedes Wetter" sein. Ein griechischer Ausdruck für: Ich stehe nicht für alles zur Verfügung. Und jetzt wolle er genau das werden, ein "Allwetter"-Präsident. Deshalb wolle er ungültig wählen..." Reisetagebuch 2015 II
Athen, Mittwoch, 16. September 2015
"Heute im heißen Athen angekommen, die Athener meinen allerdings, es sei Frühherbst...oha! ..." und: "Wahlkampfveranstaltung der kommunistischen KKE auf dem Syntagma-Platz"
1.) Heraklion Mittwoch 16.September
Wir sind angekommen.
Es ist ja noch vier Tage vor dem gemeinsamen Programm der Gruppe "Solireise nach Griechenland". Wir haben unsere Erkundungen auf Kreta ausgeweitet, eine Insel die viele nur von ihren Ferienreisen kennen und wegen ihrer Schönheit und dem milden Mittelmeerklima schätzen.
Ausschlaggebend war, dass die Menschen hier besonders widerständig zu sein scheinen. In Kreta wurde im zweiten Weltkrieg besonders hart gegen die deutsche Besatzung gekämpft. Das zeigen auch die vielen Orte der Erinnerung daran1. Beim Referendum über die Austeritätsdiktate wurde an vielen Orten mit Abstimmungsquoten mit "Oxi _Nein" gestimmt.
Dazu kommt, dass wir begonnen haben, uns am Vertrieb des Olivenöls von "becollective" in Kreta zu beteiligen. Dies erwies sich als Glücksfall. Die Entscheidung (eines Teils von uns) nach Kreta zu fahren fiel relativ kurzfristig und wir hatten noch keine Antwort auf unsere Anfragen an verschiedene Projekte der Selbstorganisation ztu besuchen bekommen. Wie zum Beispiel der sozialen Klinik der Solidarität in Heraklion2 bekommen. In unsere Blickfeld geriet diese Initiative durch einen Aufruf für ein internationales Solidaritätsnetzwerk3der im Juli 2015 gestartet wurde: Dieser Aufruf korrespondierte doch direkt mit dem Anliegen unserer Reisegruppe.
Die Gruppe "becollective" ist offensichtlich gut vernetzt, jedenfalls brachte ein Anruf bei Alex, einem der Initiatoren, den Kontakt zu Mara, einer Aktivistin der solidarischen Gesundheitsstation, die uns zu einer Versammlung von ehrenamtlichen Helfer_innen einlud, die jeden Mittwoch am Abend in den Räumen der Klinik, die in der Universität von Heraklion untergebracht ist, stattfindet. So hatten wir die Gelegenheit gleich mit einer ganzen Gruppe von Menschen zu sprechen.
An dem Projekt arbeiten 500 Menschen mit. Viele von ihnen aber nicht alle kommen aus Gesundheitsberufen und kommen außerhalb ihrer Erwerbsarbeit hierher, wie z.B Corinna die im Hauptberuf Grafikdesignirin ist.
Es gibt hier, wie in fast allen der über 40 solidarischen Arztpraxen in Griechenland, verschieden Fachrichtungen wie Zahnärzte, Kinderärzte, Psychiater usw.
Hierher kommen Menschen, die sich keine Krankenversicherung mehr leisten können.
Jeder neue Patient, der hierherkommt hat erst mal ein Gespräch mit einer Sozialarbeiterin. In dem die Rahmenbedingungen seiner Erkrankung besprochen werden. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt. Jeder hat das Recht auf Gesundheitsversorgung! Als wir kommen ist der Wartebereich der großzügigen Räumlichkeit gut gefüllt. Die Teilnehmer des Meetings treffen nach und nach ein am Schluss sind es nicht viel mehr als 10 Leute die kommen. Es können keine Entscheidungen getroffen werden. So werden einzelne praktische Dinge besprochen und es werden Spenden (Medikamente und andere Dinge) sortiert, die zu einer Verteilung an Flüchtlinge gebracht werden sollen. Bei unsern Gesprächen stellte sich auch heraus dass es durchaus auch Kontakte nach Berlin zu Freund_innen von uns gibt. Naja wir haben das Rad (der Solidarität) ja auch nicht erfunden.
Mara hatte uns mit dem Auto abgeholt. Es ist nicht ganz einfach das im Randgebiet von Heraklion liegende Gebäude zu finden. Jetzt werden wir von Themes wieder in die Stadtmitte zurückgebracht wo sich das besetzte Haus "Evangelismos" befindet. Hier treffen wir Akis von "becollektive" und andere meist anarchistische Aktivist*innen. Das Haus ist zumindest außen frisch restauriert und macht einen stattlichen Eindruck. Ganz oben weht die scharz-rote Fahne. Wir treffen uns in der Bibliothek. Überall liegen stapelweise Plakate Broschüren und Flugblätter, wie das in so einem selbstorganisierten Zentrum eben so ist.
Akis und Markus erzählen uns von der Arbeit der Olivenernte, die sich auf die Monate November bis März konzentriert. Die Kerngruppe besteht aus acht Leuten, die auch gemeinsam die Entscheidungen treffen aber in der Erntezeit kommen noch einige Leute dazu. Die meisten Leute wohnen in der Stadt und fahren dann auf Felder der Umgebung zu arbeiten.
Die meisten sind politisch aktiv. An die Wahlen die am Sonntag stattfinden haben sie keine Erwartungen das zeigt sich auch auf dem Plakatmotiv, das gerade verklebt wird. Auf der anderen Seite bemängeln sie, dass es gerade in der Anarchistischen Szene (in Griechenland) keine Strategie gibt. Es gibt zahlreiche Gruppen, die aber oft sehr individuelle Ansichten haben. Zusammen zu kommen ist daher nicht so einfach. Wir berichten über die soziale Situation in Deutschland, über die Schaffung eines Niedriglohnsektor durch die Agenda 2010, die sie sich nicht richtig vorstellen können. Deutschland gilt zu Recht als reiches Land. Wir laden sie ein nach Deutschland zu kommen. Schließlich soll unser Projekt keine Einbahnstraße sein.
1https://linksunten.indymedia.org/de/node/146429
2http://commonsfest.info/en/2014/social-infirmary-heraklion-public-health-common-good/
3http://www.fundacionabril.org/articulos/a-call-for-an-international-solidarity-mutual-aid-network-support-social-struggle-in-greece/