Ein Blick auf den Welt offenbart Krisen über Krisen. Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und mitunter auch gesundheitlichen Folgen der Coronapandemie sind noch nicht überwunden, da ruft sie sich aktuell wieder in Erinnerung. Der Krieg in der Ukraine verkommt schon fast zur Randnotiz, der Krieg im Jemen und andere Kriege haben sowieso keine große Aufmerksamkeit bekommen. Die Türkei bombardiert Rojava und im Iran sterben weiter Frauen durch den Terror der sogenannten Sittenwächter. Hierzulande ist die AfD im Höhenflug und übernimmt immer mehr politische Ämter, da macht sich Sarah Wagenknecht auf um die Zuwanderung zu bekämpfen. Schließlich sind ja mehr als 110 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, so viele wie noch nie seit dem 2.Weltkrieg, da muss doch was getan werden. Und dann war da doch noch irgendwas? Ach ja, stimmt, den Klimawandel gibt es ja auch noch.
Damit sind noch lange nicht alle Probleme benannt und als ob das alles noch nicht genug wäre, löste das Pogrom der Hamas am 7. Oktober eine folgenreiche Eskalation des Nahostkonfliktes aus. Das Ziel der Hamas war dabei nicht nur Folter, Mord und Vergewaltigungen an möglichst vielen Jüd*innen (und denjenigen die sie dafür halten). Auch die Bevölkerung des Gazastreifens sollte in ihr derzeitiges Elend gestoßen werden, um einen Flächenbrand gegen Israel zu erzeugen. Dafür braucht die Hamas die Bilder der toten Palästinenser*innen und setzt alles daran diese auch zu bekommen. Und die israelische Arme liefert im Auftrag der rechtsradikalen Regierung und schlägt wie erwartet rücksichtslos zurück, mit all den schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, deren Versorgungslage täglich schlechter wird. Die israelische Gesellschaft steht unter Schock und weiß, dass sie nur dank ihrer militärischen Stärke überhaupt noch existiert, Angriffe auf Juden lösen nun einmal keine weltweiten Solidaritätsbewegungen aus. Aber das rechtfertigt nicht den verheerenden Umgang mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die nicht nur von der Hamas sondern auch von der Israelischen Armee regelrecht geopfert werden. Bei aller Schwierigkeit Zivilist*innen in Gaza bei den militärischen Angriffen zu verschonen, schließlich nutzt die Hamas sie ja bewusst als Schutzschild, wirken die israelischen Bemühungen zu Schutz der Bevölkerung im Gazastreifen nicht mal mehr halbherzig. Das Leid und die Zerstörung sind verheerend und große Teile des Gazastreifens werden offensichtlich über längere Zeit unbewohnbar bleiben. Und während die Aufmerksamkeit auf Gaza liegt, organisieren rechte, israelische Siedler massiv Übergriffe im Westjordanland und vertreiben Palästinenser*innen. Den Krieg und die humanitäre Katastrophe wollen weder die Hamas noch die israelische Armee derzeit beenden und auch die Nachbarstaaten Israels tragen wenig zur Entspannung der Lage bei. Der Krieg stärkt die reaktionären Kräfte auf beiden Seiten, aber eine dauerhafte Absicherung wird dabei weder für Israelis noch für Palästinenser*innen herauskommen.
Und auch die Reaktionen auf den Krieg in Gaza geben Anlass zur Sorge. In Deutschland wurde zuerst jegliche Solidarität mit Palästinenser*innen untersagt und unter den Generalverdacht des Antisemitismus gestellt. Denn wenn es nicht um autochthone Rechte wie den stellvertretenden bayrischen Ministerpräsidenten Aiwanger geht, der von seiner Wählerschaft für seine antisemitischen „Jugendsünden“ belohnt wird, sondern um muslimische Migrant*innen, dann wird ausnahmsweise auch mal massive Präsenz gegen Antisemitismus eingefordert. Durch das Verbot der Meinungsäußerung wurden der Zulauf für die Hamas-Unterstützer*innen eher noch verstärkt und antimuslimischer Rassismus gefördert. Das entschuldigt aber sicher nicht, dass Teile der Palestinasolidarität sich offen antisemitisch zeigen und zur Vernichtung Israels aufrufen und die Hamas dabei als Befreiungsorganisation verherrlicht wird. Wobei jedem und jeder klar sein sollte, dass die Hamas niemals für Freiheit, egal welcher Art, stehen wird. Aber bei einfachen Polarisierungen gewinnen immer die Falschen. Und ebenso wenig, wie deutsche Staatsräson und die deutsche Bevölkerung überzeugende Akteure gegen Antisemitismus sind, so ist auch nicht der gesamte Globale Süden und und jede postkoloniale Bewegung antisemitisch, wie es derzeit mitunter dargestellt wird.
Offensichtlich läuft gerade wenig in die richtige Richtung. Aber nichts tun ist ja auch keine Option und gerade in schlechten Zeiten müssen wir uns auf die wenigen positiven Strukturen besinnen und wieder an einem Internationalismus arbeiten, der ein gutes Leben für alle fordert und nicht neue Ausgrenzung und Unterdrückung mit sich bringt.
Wir hoffen dabei nicht auf staatliche Lösungen. Wir solidarisieren uns nicht mit (rechten) Regierungen, Militärführungen, religiösen Fanatikern oder Anderen, die alles Progressive vernichten wollen. Wir solidarisieren uns mit den progressiven Kräften in Israel und Palästina sowie weltweit, auch wenn wir sie mitunter etwas suchen müssen. Denn seit mehr als 40 Jahren organisiert sich in der BUKO radikale Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen, in internationaler Solidarität und gemeinsam mit sozialen Bewegungen weltweit. Und dank eurer Hilfe werden wir uns davon auch nicht abbringen lassen!
Wir wollen hier gar nicht so tun, als ob wir immer einfache Antworten präsentieren können. Klar ist, dass Internationalismus nötiger denn je ist. Aber wie kann und soll denn ein progressiver Internationalismus heute aussehen? Die BUKO war schon immer ein Ort um in einem undogmatischen, emanzipatorischen Rahmen kritisch Internationalismus zu diskutieren, auch 2023 haben wir dies u.a. in einigen Online-Diskussionsrunden praktiziert. Damit die BUKO weiterhin ein Ort lebendiger Diskussionen bleibt, haben wir den Prozess gestartet um den nächsten BUKO-Kongress, den BUKO 40 in die Wege zu leiten. Der nächste konkrete Schritt dafür ist ein Wochenendseminar vom 23.-25 Februar in Kassel zum Thema „(Post-/Neo-) Kolonialismus“, bei dem wir möglichst viele unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen wollen. Es geht nicht nur um Postkoloniale Theorien, sondern wir gehen auch konkret die Suche nach Spuren des Kolonialismus in Kassel. Wir diskutieren die Auswirkungen des Kolonialismus bis heute und schauen auch auf neokoloniale Strukturen, wie sie z.B. im Zuge der sogenannten Energiewende entstehen. Es geht um die Frage, in wie fern der heutige Rassismus mit dem Kolonialismus zusammenhängt. Natürlich beziehen wir auch dekoloniale Positionen aus dem globalen Süden mit ein, außerdem sind Herero-Aktivist*innen eingeladen um mit uns über die Forderung nach Reparationen für die (deutschen) Kolonialverbrechen zu diskutieren. Schon vor dem 7.Oktober hatten wir für das Seminar auch die Frage zum Zusammenhang von Antisemitismus und Kolonialismus fest eingeplant, aber nun bekommt die Diskussion aktuell noch viel mehr Bedeutung. Wie stehen Postkolonialismus und Antisemitismus zueinander? Hier wollen wir versuchen einen Raum für eine gemeinsame Diskussion zu öffnen, kritisch und undogmatisch. An dem Wochenende werden wir sicher nicht alle Fragen klären können, aber dafür soll es dann ja den nächsten BUKO-Kongress geben, wo wir alle Diskussionen in größerem Rahmen fortsetzen können.
Meldet euch gerne schon für das Seminar an, da wir im Februar in Kassel nur begrenzte Plätze haben. Mehr dazu findet ihr hier.
Die BUKO kann aber nur mit euren Spenden wie bisher weiter gehen. In den letzten Jahren sind Mitgliedsbeiträge und Spenden weniger geworden, nicht wegen inhaltlicher Differenzen, sondern weil viele von euch inzwischen auch stärker aufs Geld achten müssen. Umso wichtiger wird die Spendenkampagne für die BUKO-Aktivitäten.
Dank eurer Unterstützung konnte die BUKO 2023 z.B. mit „Talk & Act II“ wieder eine Onlinereihe mit 8 Veranstaltungen durchführen. Dabei ging es z.B. um die Folgen der Megaprojekte des "Proyecto Transístmico" im Süden Mexikos und den Widerstand dagegen, z.B. die Karawane „el sur resiste“. Die aktuelle Lage in Honduras aus indigener Perspektive war ebenso Thema wie 11 Jahre kurdische Selbstverwaltung in Rojava und die Folgen der türkischen Angriffe. Feministische Kämpfe im Iran oder in Sri Lanka wurden vorgestellt und die Zusammenhänge des kolumbianischen Steinkohleabbaus mit der Energiewende in Deutschland dargelegt. Bei der Reihe wurden aber auch der negative Einfluss „sozialer“ Medien diskutiert und Möglichkeiten der digitalen Selbstverteidigung vorgestellt. Denn wir sehen Onlineveranstaltungen nicht unkritisch. Aber sie bieten uns relativ einfach die Möglichkeit direkt mit Aktivist*innen aus der ganzen Welt in Austausch zu kommen. Von dieser Möglichkeit haben während der Reihe viele von euch Gebrauch gemacht.
Eine Arbeitsgruppe der BUKO ist im Austausch mit weiteren Interessierten weiterhin dran, die Vernetzung mit dem internationalen Netzwerk „global tapestry of alternatives“ voranzutreiben. Und natürlich waren und sind die BUKO Arbeitsschwerpunkte Gesellschaftliche Naturverhältnisse (AS GesNat) sowie Digitalisierung (AS Digi) auch weiterhin aktiv. Resultate ihrer Diskussionen landen u.a. auf www.buko.info, demnächst z.B. zu Smart Cities. Die BUKO-Website werden wir 2024 auf ein anderes System umziehen. Bewusst organisieren wir die digitalen Struktur der BUKO immer möglichst in Zusammenarbeit mit politischen Technik-Kollektiven und Betrieben, gerne mit OpenSourceSoftware. Das ist nicht immer die billigste Lösung, aber es ist ein lohnenswerter Versuch, andere Strukturen mit aufzubauen und damit auch beispielhaft für andere Strukturen und Organisationen sein zu können.
Und 2024 startet die BUKO zudem ein neues Projekt, eine solidarisch-kritische Bildungsreise mit dem Fahrrad durch Kuba. Für Januar hat sich die Reisegruppe gefunden, aber nachdem wir für die Veranstaltung (bisher in einzelnen, ausgewählten Bundesländern) eine offizielle Anerkennung als Bildungsurlaub erreichen konnten, werden wir das Format zukünftig sicher weiterverfolgen.
Wie immer seid ihr herzlich eingeladen, euch an allen Aktivitäten der BUKO zu beteiligen und natürlich könnt ihr auch eigene Ideen einbringen. Denn die BUKO ist immer nur das, was wir alle gemeinsam daraus machen. Nehmt an den Diskussionen und Prozessen teil, besucht die Veranstaltungen und spendet für die BUKO, wenn es eure finanziellen Möglichkeiten zulassen. Egal ob per Dauerauftrag oder als Einzelspende, jede Summe hilft. Und wenn ihr selber nicht spenden könnt, fallen euch vielleicht andere Menschen ein, die noch ein paar Euro entbehren können.
Radikal global ins neue Jahr, denn Internationalismus ist nötiger denn je!
https://www.buko-braucht-kohle.de/aufruf
Spenden könnt ihr über das Spendenkonto unseres gemeinnützigen Trägervereins VzF e.V.:
VzF e.V.
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Bis 200€ ist der Einzahlungsbeleg direkt als Spendenbescheinigung gültig ist, aber wir stellen euch natürlich auch gerne eine Spendenbescheinigung aus. Gebt dann bitte im Betreff der Überweisung eure Adresse an.